Süddeutsche Zeitung

Minderheitsregierung: Grüne erteilen Gabriel Absage:"Ihm ist vermutlich zu heiß"

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SPD-Chef Sigmar Gabriel denkt offen über eine rot-grüne Minderheitsregierung im Bund nach und irritiert damit die Grünen. Fraktionschefin Künast schiebt Gabriels Idee auf das Wetter, die Linkspartei spricht von "abenteuerlichen Spielereien".

Daniel Brössler

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die geplante rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen als Modell auch für den Bund ins Gespräch gebracht und damit Befremden ausgelöst. Die Grünen stellten klar, dass sie für eine solche Konstellation nicht zur Verfügung stehen.

"Sigmar Gabriel ist vermutlich zu heiß. Wir setzen auf Mehrheiten", sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, am Sonntag der Süddeutschen Zeitung.

Gabriel hatte zuvor in der Bild am Sonntag auf Minderheitsregierungen in anderen Ländern Europas verwiesen. "Solche Minderheitsregierungen, die inhaltlich gut arbeiten, sind allemal besser als Regierungen, die zwar eine rechnerische Mehrheit haben, aber nichts miteinander anzufangen wissen", sagte er.

Kurs der Eigenständigkeit

Das beste Beispiel hierfür sei die Bundesregierung. Minderheitsregierungen seien aber "nichts, was man anstrebt". Überdies gebe es "gute Chancen", dass es 2013 für eine Mehrheit von SPD und Grünen reiche.

Sozialdemokraten und Grüne hatten sich seit Amtsantritt der schwarz-gelben Koalition wieder stark angenähert und jüngst bei der Bundespräsidentenwahl mit dem gemeinsamen Kandidaten Joachim Gauck Gemeinsamkeit demonstriert. Bei den Grünen wurde zuletzt aber auch vor einer zu starken Vereinnahmung durch den früheren Koalitionspartner gewarnt. Die Partei pocht auf einen Kurs der Eigenständigkeit und schließt auch eine Koalition mit der Union nicht aus.

Für die grünen Themen wie Bildung und Energie gebe es eine "gesellschaftliche Mehrheit", sagte Künast. "Wenn man schon von einer Minderheitsregierung spricht, dann von der Angela Merkels". Die Bundesregierung betreibe Klientelismus und eine Politik für eine Minderheit der Bevölkerung.

Union und FDP sehen sich durch die Äußerungen Gabriels in ihrer Kritik am rot-grünen Regierungsbündnis in Nordrhein-Westfalen bestätigt. "Gabriel offenbart seine Pläne: Es geht darum, über wackelige Minderheitsregierungen die Zusammenarbeit mit der Linkspartei salonfähig zu machen - nicht nur in NRW, sondern offenkundig auch im Bund", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der SZ. Es sei "ein Armutszeugnis, dass die Partei von Helmut Schmidt und Willy Brandt in der Zukunft ihr Heil in derart verantwortungslosen politischen Experimenten sieht".

Linkspartei: Die SPD drückt sich

Die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf stehe für "mehr Schulden wegen der unfinanzierbaren Wohltaten und weniger politische Stabilität. Das soll nun offenbar auch die Basis einer Kanzlerschaft von Sigmar Gabriel sein", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Auch die Linkspartei erteilte Gabriel eine Abfuhr. "Eine Minderheitsregierung auf Bundesebene ist nichts weiter als eine gedankliche abenteuerliche Spielerei von Herrn Gabriel", sagte Fraktionschef Gregor Gysi der SZ. Die SPD müsse nun eine einfache Frage beantworten: "Wem steht sie näher - Union und FDP oder der Linken?" Vor der Antwort drücke sich die SPD-Führung.

Minderheitsregierungen auf Bundesebene gab es in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nur in kurzen Übergangsphasen. Das Grundgesetz erlaubt allerdings die Wahl eines Bundeskanzlers in einem dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2010
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