Süddeutsche Zeitung

Kandidatur für den CDU-Vorsitz:Merz kann es kaum erwarten

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Von Clara Lipkowski, Ueckermünde

Schon als Friedrich Merz an der Strandhalle von Ueckermünde eintrifft, macht die Meldung die Runde, dass er nun auch offiziell für den CDU-Parteivorsitz kandidieren wolle. Doch statt Stellung zu beziehen, lässt er das genüsslich im Raum stehen, während er vor den etwa 175 Gästen spricht. Er ist am Montagabend auf Einladung seines CDU-Kollegen Philipp Amthor zum alljährlichen Heringsessen nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen und redet lieber darüber, dass die Übergänge nach den langen Perioden der CDU-Parteivorsitzenden immer schwierig gewesen seien.

Von Konrad Adenauer zu Ludwig Erhard etwa. "Das war eine der härtesten Auseinandersetzungen in der Union in den 1960er-Jahren", referiert Merz. Oder der Übergang von Helmut Kohl zu Wolfgang Schäuble, überschattet von der Parteispendenaffäre. Und nun eben der Übergang von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer und wiederum zu ihrem Nachfolger.

Es ist der Moment, in dem es sich Merz einmal mehr nicht verkneifen kann, einen Frauenwitz zu reißen. So ein Übergang, sei immer schwierig, insbesondere, wenn man sich an jemanden gewöhnt habe, sagt er. "Deutschland hat sich an Angela Merkel gewöhnt. Bis hin zu der Frage kleiner Jungs, ob in Deutschland auch ein Mann Kanzler werden kann."

Merz, 64, genießt die Aufmerksamkeit der anwesenden regionalen und überregionalen Presse sichtlich - und witzelt darüber: "Ich freue mich über das große Medieninteresse, das Ueckermünde hat. Das hat Philipp Amthor auch verdient." Der Spruch kommt gut an im Saal, besonders bei Amthor, dem 27-jährigen Bundestagsabgeordneten, der sich hier im heimischen Wahlkreis befindet und soeben selbst eine Kandidatur erklärt hat: für den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern.

Sein Gast habe einen "messerscharfen Verstand" und eine "klare Sprache", sagt Amthor. Merz sei einer, "der Diskussionen anzustoßen und zu führen wisse, dazu pointiert analysiere". Später überschlägt er sich beinahe vor Lob: "Wir haben einen Mann erlebt, aus dessen Holz Kanzler geschnitzt werden können."

Merz gibt sich dann auch staatsmännisch und referiert über die großen Herausforderungen, vor denen Deutschland jetzt stehe. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er die Zukunft des Landes künftig mitgestalten möchte, nur in welcher Funktion, das sagt er nicht.

Deutschland habe das Problem mit Rechtsradikalismus jahrelang unterschätzt. Der Klimawandel sei existent, ob nun menschengemacht oder nicht, müsse aber dringend bewältigt werden. Dass die Briten, jetzt, im Jahr Eins nach dem Brexit, nicht mehr da seien, "das verunsichert". Das CDU-Wahlergebnis von Hamburg nennt er "ein Desaster". Und das Verhalten seiner Partei in Thüringen einen "Riesenfehler".

Er macht klar, dass die CDU nicht mit der Linken und der AfD zusammenarbeiten dürfe, sagt er und betont besonders den Namen Bodo Ramelow. "Ramelow ist aus dem Westen gekommen und dann in die Partei eingetreten", er habe gewusst, was er tat. Doch der Landeschef einer Partei, in der es marxistische Gruppierungen und sozialistische Bestrebungen gebe, "der kann kein Partner für die CDU sein. Punkt. Ende der Durchsage." Lauter Beifall.

Merz plant offenbar auch schon für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl - und zwar mit den Grünen. "Es gibt keinen Grund, in Angst und Schrecken vor den Grünen zu sein", sagt er. Er sei sich ganz sicher, dass die Grünen mit der entsprechenden Mehrheit "keinen Moment" bei einem rot-rot-grünem Bündnis zögern würden. "Deswegen müssen wir eine ganz stringente umweltpolitische Linie haben - und nach der Wahl hart ringen und streiten." Da freue er sich drauf.

Friedrich Merz, er kann es kaum erwarten, in die Rolle des Gestalters und Lenkers zu schlüpfen - so wirkt er an diesem Abend. Er mahnt noch an, dass Deutschland in den drängenden Themen - Klima, Digitalisierung und Technologien - besser werden müsse. "Dann kommen wir 2030 zusammen und staunen, was wir geschafft haben." Gemeint ist ein weiteres Heringsessen.

Er ist sich offenbar ziemlich sicher, dass er dabei sein wird, gibt sich dann aber doch bescheiden: "Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, bin ich bereit." Am Dienstagvormittag will er sich in Berlin offiziell zu seiner Kandidatur für den Parteivorsitz äußern.

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