Süddeutsche Zeitung

Maas bei den UN:"Der Klimawandel wird zur Gefahr für den Frieden"

Lesezeit: 3 min

Von Daniel Brössler, New York

Heiko Maas ist nicht mit leeren Händen gekommen. Er hat Bilder mitgebracht. Während der deutsche Außenminister zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spricht, teilt eine Mitarbeiterin Farbkopien aus. "Krisen und Konflikte gehören zum Tagesgeschäft des Sicherheitsrats", führt Maas aus. "Selten genug" bleibe da Gelegenheit, "einen Schritt zurückzutreten und den Blick auf die Ursachen dieser Konflikte zu werfen." Er wolle daher von jemandem berichten, "der nicht nur einen Schritt zurückgetreten ist, sondern circa 570 000 Schritte". Die Bilder, die Maas zeigte, hat der deutsche Astronaut Alexander Gerst von der Raumstation ISS aus gemacht. "Schockierende" Bilder, wie Maas sagt, die auf denen der sonst grüne Kontinent "einer gelb-braunen Steppe" ähnele.

Es ist der erste Auftritt des Ministers im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem Deutschland seit Januar für zwei Jahre angehört, und ganz offensichtlich hat Maas sich vorgenommen, ihn effektvoll zu beginnen. In der Sitzung geht es um die Folgen des Klimawandels für die Sicherheit in der Welt, und vielleicht ist es ja kein Zufall, dass Maas heute Morgen von seinem Hotel im Meatpacking District von Manhattan nicht die schwere Limousine genommen hat zum UN-Hauptquartier, sondern die Metro. Klimawandel und Sicherheit sollen, das hat Maas angekündigt, zwei der großen deutschen Themen werden im Sicherheitsrat. In Zukunft werde das "regelmäßig auf der Tagesordnung des Sicherheitsrates stehen", verspricht er.

Zum sechsten Mal gehört Deutschland zu den "Touristen". So nennen die Diplomaten der fünf ständigen Mitglieder im Rat - Amerikaner, Russen, Chinesen, Franzosen und Briten - jene Kollegen, die jeweils nur für zwei Jahre vorbeischauen dürfen. Deutschland, immerhin zweitgrößter Financier der UN, will schon länger aus der Gruppe der Touristen im Rat in die der Einheimischen wechseln. Man wolle mehr internationale Verantwortung übernehmen, hat auch Maas schon oft versprochen. Unter dem Druck steht er nun. Er muss Eindruck hinterlassen.

Deutschland will einen eigenen Akzent setzen

Bereits am Donnerstag hatte der Minister eine stärkere Rolle von Frauen bei der Friedenssicherung angemahnt. "Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass der Sicherheitsrat die Rolle von Frauen in Konflikten und bei der Friedenssicherung immer mitdenkt", hatte er bei einer Fachdiskussion gesagt. Es ist neben Klima und Sicherheit das zweite große Thema, das Maas sich vorgenommen für die zwei New Yorker Jahre. Themen sollen das seien, mit denen Deutschland einen eigenen Akzent setzen kann.

Am Freitag scheint das schon mal zu funktionieren. Mit deutscher Hilfe hat die Dominikanische Republik eine Diskussionssitzung zu den Folgen des Klimawandels für die Sicherheit in der Welt einberufen. Experten nutzen die Gelegenheit zu dramatischen Mahnungen. Achim Steiner, der Chef des UN-Umweltprogramms, ist per Telefon vom Weltwirtschaftsforum in Davos zugeschaltet. 2050 könne es 140 Millionen Klimaflüchtlinge geben, warnt er. Die Weltgemeinschaft "halte nicht Schritt mit der Herausforderung". Pavel Kanat von der Weltorganisation für Meteorologie zählt Naturkatastrophen der vergangen Jahren auf und fordert fast flehentlich bessere Frühwarnsysteme. An den Folgen des Klimawandels für die Sicherheit könne gar kein Zweifel bestehen, sagt auch Lindsay Getschel von der US-Denkfabrik Stimson Center. "Zwei Milliarden junge Menschen weltweit können sich den Luxus nicht leisten, sich nicht um die Zukunft zu sorgen", sagt sie.

Maas schließt sich dem Warnruf gerne an

Es ist ein Warnruf, dem sich Maas gerne anschließt. "Der Klimawandel ist real. Er wirkt global. Und er wird immer mehr zur Gefahr für Frieden und Sicherheit", sagt er. In der Sahelzone nähmen Konflikte zu, weil Wasser und Land zum Ackerbau immer knapper würden. Auch im Irak untergrabe die Wasserknappheit die Perspektive auf nachhaltigen Frieden. Ähnliches gelte für Afghanistan und Jemen. "Mit dem Schrumpfen des Tschadsees schwinden die Lebensgrundlagen ganzer Bevölkerungsgruppen - ein perfekter Nährboden für Extremismus und Terrorismus", warnt Maas. Inselstaaten bedrohe der steigende Meeresspiegel in ihrer Existenz. Das Wissen um den Klimawandel müsse "noch entschlossener in operative Politik" umgesetzt werden. Gebiete, die besonders von Klimaveränderungen betroffen seien, müssten mit "schnell wirkenden Sofortmaßnahmen" unterstützt werden. Die meisten im Sicherheitsrat sehen auch so, aber Maas hat während die Sitzung noch läuft, schon ganz andere Sorgen.

Während Maas in New York weilt, erreicht die Krise in und um Venezuela ihren Höhepunkt und so auch den Sicherheitsrat. Es ist eine geradezu klassische Konfrontation: Die USA unterstützen Juan Guaido, der sich zum Übergangspräsidenten ausgerufen hat. Russland und China halten Staatschef Nicolas Maduro die Stange. Gerungen wird um eine Dringlichkeitssitzung, die von den USA gefordert, von Russen und Chinesen aber erst einmal abgelehnt wird. Neun Stimmen brauchen die Amerikaner - die deutsche kriegen sie, wie auch die der anderen Europäer. Maas hatte schon am Donnerstag einen Schwenk hin zur US-Position erkennen lassen. In Sachen Venezuela sei Deutschland "alles andere als neutral", stellt er dann auch am Freitag noch mal klar. Deutschland erkenne lediglich die vom Volk gewählte Nationalversammlung an, Maduro sei kein "demokratisch legitimierten" Präsident.

Am Nachmittag New Yorker Zeit macht er sich dann doch auf den Weg zum Flughafen. Er weiß, es geht auch ohne ihn. US-Außenminister Mike Pompeo hat sich angesagt zur Dringlichkeitssitzung am Samstag. Maas erwartet von der Sitzung eigentlich nicht viel, sie sei "nur ein Anfang", sagt er. Andererseits: Muss er nicht Präsenz zeigen? Er mache seine Teilnahme, sagt Maas erst einmal, von "der Entwicklung" abhängig.

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