Süddeutsche Zeitung

Infektionsschutzgesetz:Lauterbach mahnt, Buschmann spricht von "Vorhängeschlössern"

Lesezeit: 3 min

Eigentlich war alles klar. Die Maskenpflicht drinnen ist ab Herbst wieder möglich, Lockdowns nicht. Doch maskenlos im Flugzeug reisende Politiker haben die Debatte wieder angefacht. Nun müssen die beiden Minister ihren Kompromiss verteidigen.

Von Oliver Klasen

Das, was die beiden Minister an diesem Mittwoch in Berlin vor der Bundespressekonferenz vorstellen, dürfte im Grunde niemanden mehr überraschen. Es geht um die Frage, wie sich das Land für den Fall wappnet, dass im Herbst möglicherweise eine neue Corona-Variante grassiert. Was tut die Regierung, wenn wegen massenhafter Krankheitsfälle Beeinträchtigungen in kritischen Bereichen drohen? Wie vermeidet die Politik, dass, wie in den beiden vergangenen Wintern, das Gesundheitssystem an seine Grenzen kommt?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) haben ihre Pläne für ein neues Infektionsschutzgesetz - nach wochenlangen Diskussionen und internem Ringen - bereits Anfang August präsentiert. An diesem Mittwochmorgen hat das Kabinett zugestimmt, nun verteidigen sich die beiden Politiker in der Bundespressekonferenz.

Buschmann verweist anfangs auf die Rollenverteilung der beiden Minister: "Der Gesundheitsminister kümmert sich um die Gesundheit und der Justizminister kümmert sich darum, dass die Verhältnismäßigkeit und die Vereinbarkeit mit den Grundrechten gegeben ist". Lauterbach gibt also erneut den Mahner, spricht von "Szenarien mit gefährlichen Varianten, von denen wir nicht glauben, dass sie kommen werden, aber auf die wir uns vorbereiten müssen".

Buschmann spricht von "Vorhängeschlössern". Allerdings nicht von Vorhängeschlössern gegen die Pandemie, sondern gegen besonders strenge Schutzmaßnahmen, die in einer zweiten Stufe des Infektionsschutzgesetzes gelten würden.

Lauterbach erläutert die Logik der beiden Stufen. Vom 1. Oktober an könnten die Länder in der ersten Stufe eine Maskenpflicht in Innenräumen einführen - das ist der Kern der vom Bund geplanten und von den Ländern umgesetzten Corona-Maßnahmen. Allerdings könnten dabei Ausnahmen zugelassen werden, etwa für Getestete, frisch Geimpfte oder Genesene. Unabhängig davon sollen Veranstalter von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und eigene Einlassregeln verhängen können. Die zweite Schutzstufe würde erst bei einem sehr dynamischen Infektionsgeschehen zünden. In dieser Stufe gelte die Maskenpflicht in Innenräumen grundsätzlich, ohne Ausnahmen. Darüber hinaus können die Länder Abstandsgebote sowie Personenobergrenzen in Innenräumen anordnen.

Buschmann betont, dass die zweite Stufe an zwei Voraussetzungen gebunden sei, das illustriert der FDP-Politiker mit der Metapher der "Vorhängeschlösser", mit denen "die zweite Schublade des Werkzeugkastens" gesichert sei. Erstens sei ein Beschluss des jeweiligen Landtages nötig und zweitens müsse der Gesetzgeber auf Länderebene eine "konkrete Gefahr für die kritische Infrastruktur" feststellen. Das sei eine durchaus hohe Hürde. Das Infektionsschutzgesetz des Bundes sei lediglich der "maximale Rahmen, den die Länder ausschöpfen können, aber nicht müssen". Allein die Schutzmaßnahmen für die Alten- und Pflegeeinrichtungen würden bundeseinheitlich geregelt. Das sei angesichts der Erfahrungen aus den vergangenen beiden Pandemie-Jahren berechtigt.

"Das Ziel unserer Maßnahmen ist, dass wir Todesfälle, viele Arbeitsausfälle und die Überlastung der Kliniken verhindern", so Lauterbach. Sogenannte Lockdowns und Schulschließungen seien ausgeschlossen, betonen beide Politiker. Bundesweit einheitlich sollen lediglich die Schutzmaßnahmen im Fernverkehr der Bahn und beim Fliegen sowie für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen geregelt werden. Neben der Maskenpflicht soll für Kliniken und die Pflege auch eine Testpflicht für Beschäftigte und Besucher gelten, mit möglichen Ausnahmen für frisch geimpfte und genesene Personen. "Wir haben weniger Regeln und einfachere Regeln, die aber früher angewendet werden können", so Lauterbach.

Die Pläne für ein neues Infektionsschutzgesetz haben noch immer das Potenzial, zu erheblichen Verwerfungen in der Koalition zu führen. Buschmann hat in einem Deutschlandfunk-Interview erkennen lassen, dass er bei den Beratungen im Bundestag Änderungen am Vorschlag der Regierung erwartet. "Das letzte Wort hat da natürlich das Parlament", betonte er.

Insbesondere über die Maskenpflicht in Flugzeugen wird seit einigen Tagen diskutiert, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die meisten Mitreisenden im Regierungsflugzeug auf dem Weg nach Kanada keine Masken getragen hatten. Allerdings war der Zugang zu der Bundeswehr-Maschine, anders als bei Linienflügen, nur mit einem aktuellen negativen PCR-Test möglich. Buschmann kritisiert dennoch das dadurch entstandene Bild in der Öffentlichkeit. Es sei der Eindruck erweckt worden, für die Bevölkerung seien andere Regeln gültig als für "die da oben", so der Minister in einem Interview. Er finde es "politisch klüger, von solchen Ausnahmen, wenn sie denn bestehen, keinen Gebrauch zu machen", so der Minister. Das Argument wiederholt Buschmann auch in der Bundespressekonferenz.

Aus der FDP gibt es Forderungen, die Maskenpflicht in Flugzeugen sowie anderen öffentlichen Verkehrsmitteln abzuschaffen beziehungsweise zu einer bloßen Empfehlung zu machen. "Sobald das Kabinett die endgültige Fassung des Infektionsschutzgesetzes verabschiedet hat, werden wir uns mit unseren Koalitionspartnern absprechen und prüfen, wo Nachbesserungsbedarf besteht", sagte etwa FDP-Fraktionschef Christian Dürr dem Spiegel.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5644278
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.