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Landverbindung zu Russland:Putin steuert über neue Brücke auf die Krim

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Von Julian Hans, Moskau

Zu den vielen Rollen, die Wladimir Putin in der Vergangenheit ausgefüllt hat, ist eine weitere hinzugekommen. Nach seinen Gastspielen als Angler, Jäger, Vogelschützer und Taucher ist der russische Präsident nun auch noch Lastwagenfahrer. Am Steuer eines orangefarbenen Kamaz-Lasters fuhr Putin am Dienstag als Erster über die frisch fertiggestellte Brücke vom russischen Festland auf die Krim.

Wie hoch der symbolische Wert ist, der dieser Reise beigemessen wird, zeigte schon ein Wort, das Putin vor Abfahrt in die Mikrofone der staatlichen Sender rief: "Pojechali". Übersetzt heißt das so viel wie "los geht's" oder "Abfahrt", aber jeder Mensch, der im sowjetisch geprägten Kulturraum groß geworden ist, erinnert sich natürlich, dass der Kosmonaut Jurij Gagarin am 12. April 1961 mit diesen Worten zu seinem ersten Weltraumflug gestartet ist - als erster Mensch der Welt überhaupt. Ein historischer Start also.

Seit der Annexion hatte der Bau der Brücke auf die Krim oberste Priorität. Noch am 18. März 2014, dem Tag, als Wladimir Putin im Kreml seine Anschlussrede hielt und den Vertrag mit der Krim-Regierung unterschrieb, veröffentlichte Moskau Pläne für den Bau einer Brücke zum russischen Festland. Eine Landverbindung hat die Krim nur mit der Ukraine, von Russland aus war sie nur mit der Fähre oder dem Flugzeug zu erreichen. In der Hochsaison mussten die Urlauber deshalb manchmal Stunden warten, bei starkem Wind und Seegang muss der Fährverkehr eingestellt werden.

In 15 Minuten von Russland auf die Krim

Die Ukraine hatte nach der Besetzung der Halbinsel durch Russland alle Verbindungen gekappt. Züge fahren nicht mehr, Autofahrer müssen einen langen Parcours von Kontrollen der ukrainischen und russischen Grenztruppen über sich ergehen lassen. Auch die Lieferung von Wasser und Elektrizität hat die Ukraine gestoppt.

Fünfzehn Minuten dauert nun die Fahrt, die Putin an der Spitze einer Kolonne orangenfarbener Baufahrzeuge zurücklegte. Wirtschaftlich ist die Brücke weniger bedeutend als politisch, vollzieht sie doch den Anschluss an Russland nunmehr auch physisch: Die Krim wird an die russische Infrastruktur angebunden. Das hat sie dann allerdings vielen Orten in Russland voraus, zu denen keine befestigten Fernstraßen führen. Um die drei Milliarden Euro aufzubringen, die der Bau umgerechnet gekostet hat, wurden andere, lange geplante Brücken und Straßen in Russland nicht realisiert.

Mit der Fertigstellung ein halbes Jahr vor dem geplanten Termin demonstriert Moskau zudem, dass es trotz Sanktionen in der Lage ist, Großprojekte zu verwirklichen. Zunächst waren Investoren und Bauunternehmen vor einer Beteiligung zurückgeschreckt. Für Geschäfte auf der Krim, insbesondere aber für ein Engagement in den Bereichen Energie und Infrastruktur drohen Unternehmern strenge Sanktionen, weshalb bis heute nicht einmal Russlands größte Bank, die staatliche Sberbank, Filialen auf der Krim betreibt. Viele Bewohner fuhren alle paar Wochen mit der Fähre aufs Festland, um ihren Lohn abzuheben und Rechnungen zu bezahlen.

Schließlich bekam die Firma Stroygazmontazh den Zuschlag für die Brücke. Sie gehört Arkadij Rotenberg, einem Freund Putins seit den gemeinsamen Tag im Judo-Klub in Sankt Petersburg. Der Auftrag wurde ohne Ausschreibung vergeben, angeblich weil es keine anderen Interessenten gab. Stroygazmontazh und Rotenberg selbst stehen bereits seit 2014 auf der Sanktionsliste der USA. Rotenberg erklärte derweil, er betrachte den Bau der Brücke als seinen "Beitrag zur Entwicklung unseres Landes".

Schon Albert Speer hatte eine Brücke gebaut

Nicht nur wegen der Sanktionen war der Bau ein riskantes Unterfangen. Starke Strömung und ein unruhiger Untergrund stellen die Ingenieure vor große Herausforderungen. Eröffnet wurde am Dienstag vorerst nur die vierspurige Straße für Pkw. Eine zweispurige Trasse speziell für Lastwagen soll im Herbst fertig werden. Als letzter Part soll Ende 2019 die Bahnstrecke für den Verkehr freigegeben werden. Die 19 Kilometer lange Brücke führt zuerst fünf Kilometer über einen Damm bis zur Insel Tusla, von dort weiter über das offene Meer bis an die Küste der Krim.

Pläne für eine Brücke auf die Krim gab es seit 100 Jahren. Einmal stand sogar schon eine, wenn auch nur für kurze Zeit. 1943 hatte sie Albert Speer entworfen, um der Wehrmacht den Weg von der besetzten Krim nach Südrussland zu eröffnen. Sie wurde zerstört, bevor der erste Zug drüberfahren konnte. Als der Wind im Februar 1945 schwere Eisschollen gegen die Pfeiler drückte, knickten sie ein.

Putins Rolle als Lastwagenfahrer ist indes noch in anderer Hinsicht symbolisch: Ausgerechnet die russischen Lastwagenfahrer waren es nämlich, die in den vergangenen Jahren besonders hartnäckig protestierten. Ihr Zorn richtet sich gegen eine Maut, die von einer Firma eingezogen wird, die dem Sohn von Arkadij Rotenberg gehört. Hinterm Steuer des Kamaz konnte Putin zeigen: Ich bin einer von euch. Der Brückenbauer Rotenberg sah dabei sehr zufrieden aus.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2018
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