Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Kramp-Karrenbauer will KSK reformieren und in Teilen auflösen

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"Ich rede deshalb von einer Bewährungschance": Die Verteidigungsministerin greift nach rechtsextremistischen Vorkommnissen beim Eliteverband der Bundeswehr durch.

Von Joachim Käppner und Mike Szymanski, Berlin

Die Missstände beim Kommando Spezialkräfte (KSK) sind noch weit gravierender als bislang bekannt. Internen Ermittlungen der Bundeswehr zufolge sind dort 48 000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff verschwunden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte der Süddeutschen Zeitung, diese Erkenntnisse seien "beunruhigend" und "alarmierend". Nun müsse dringend geklärt werden, ob nur über Jahre hinweg schlampig Buch geführt oder ob in großem Stil Kriegsmaterial entwendet worden sei. Die Ministerin sieht sich nun zu drastischen Schritten gezwungen. Sie will den Eliteverband der Bundeswehr, der zuletzt durch rechtsextreme Vorfälle erschüttert wurde, reformieren und in Teilen auflösen.

Mit grundlegenden Reformen etwa bei der Auswahl und Ausbildung der Soldaten, deren Führung und durch Versetzungen soll der Verband die Chance für einen Neuanfang bekommen. Bis dieser erreicht ist, wird das KSK nicht an internationalen Übungen und Einsätzen teilnehmen. Die 2. Kompanie, die Ausgangspunkt rechter Umtriebe war, wird ersatzlos aufgelöst, sagte Kramp-Karrenbauer der SZ. Das KSK habe sich "in Teilen verselbständigt, auch weil es eine toxische Führungskultur Einzelner gab. Daraus folgt, dass das KSK nicht in seiner jetzigen Verfassung bestehen bleiben kann."

Ende Oktober soll eine erste Bilanz gezogen werden. Bei einem Besuch beim KSK am Standort in Calw in Baden-Württemberg teilte die Ministerin am Montag mit: Es habe nun jeder die Chance zu entscheiden, ob er "Teil des Problems bleiben oder Teil der Lösung werden" wolle. Der SZ sagte die Ministerin: "Wenn aber die Angehörigen des KSK diesen Schuss jetzt nicht gehört haben, wird sich unausweichlich die Frage nach einer Neuordnung des KSK stellen." Auslöser für ihr Einschreiten war der Waffenfund auf dem Privatgrundstück eines KSK-Soldaten in Sachsen, der zuvor durch rechte Gesinnung aufgefallen war. Der 45-jährige Oberstabsfeldwebel Philipp Sch. hatte zwei Kilo Sprengstoff, Tausende Patronen, dazu Schusswaffen und Waffenteile - darunter auch ein Schalldämpfer - bei sich gebunkert. Er gehörte zu einem Kreis von KSK-Soldaten, die bei einer Abschiedsfeier eines Offiziers 2017 Rechtsrock gehört und den Hitlergruß gezeigt haben sollen. An der Feier nahmen etwa 70 KSK-Angehörige teil. Bei dem Versuch, die Vorgänge aufzuklären, sei man laut Kramp-Karrenbauer auf eine "Mauer des Schweigens" gestoßen. Nur wenige auffällig gewordene Soldaten wurden bisher vom KSK abgezogen. Kommandeur Markus Kreitmayr, der seit 2018 den Verband führt und die Probleme deutlich angesprochen hat, soll das KSK durch den Reformprozess begleiten. "Die Mauer des Schweigens bricht", sagte Kramp-Karrenbauer.

Das 1996 gegründete Kommando Spezialkräfte ist vergleichbar dem britischen SAS oder den Navy Seals der USA. KSK-Soldaten kämpften gegen die Taliban in Afghanistan, wo das Kommando 2013 einen Toten zu beklagen hatte, und stellten im früheren Jugoslawien vom UN-Tribunal gesuchte Kriegsverbrecher.

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SZ vom 01.07.2020
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