Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Kohle gegen Kohle

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Wie Deutschland und andere Industrieländer Südafrika beim Ausstieg aus dem fossilen Energieträger unterstützen. Ein Modell, das Nachahmer finden könnte.

Von Thomas Hummel, Scharm el-Scheich

Wenn die deutsche Delegation in Scharm el-Scheich auf etwas stolz ist, dann auf "Dschätpi". Es ist schon ein feststehender Begriff in den Hallen der Weltklimakonferenz, die Abkürzung JETP, die für Just Energy Transition Partnership steht. Dahinter verbirgt sich eine Partnerschaft, in der reiche Länder Geld, Technologie und Wissen anbieten, um Schwellenländer bei der Energiewende zu helfen. Die erste JETP nimmt nun Gestalt an: Frankreich, Großbritannien, die USA, die Europäische Union und Deutschland begleiten Südafrika auf dem Weg weg von der Kohle.

Wie schwer das wird, verdeutlichen Zahlen: 90 Prozent des Stroms in Südafrika stammen aus der Kohleverbrennung. 90 000 Menschen sind direkt in dem Sektor beschäftigt, indirekt sind weitere Zehntausende davon abhängig. Es gibt handfeste finanzielle Interessen, Südafrika ist einer größten Kohleexporteure der Welt. Weil der Westen durch den Krieg in der Ukraine russische Kohle boykottieren will, ist die Nachfrage gestiegen. Und der Preis. Im vergangenen Jahr erst weihte der Staatskonzern Eskom eines der größten Kohlekraftwerke der Welt im Norden des Landes ein.

"Wir sind zuversichtlich, dass wir die Ziele erreichen können", sagt Südafrikas Präsident

Dennoch hat sich die Regierung in Pretoria auf den Deal eingelassen. "Wir sind zuversichtlich, dass wir die Ziele erreichen können", sagte Präsident Cyril Ramaphosa bei seiner Rede auf der Weltklimakonferenz am Dienstag. Der Kohlebergbau machte in den vergangenen Jahren auch Probleme. Viele der Kraftwerke sind alt und marode, Eskom musste finanziell immer wieder vom Staat gerettet werden. Häufig fällt im Land irgendwo der Strom aus, vor allem die Netze sind schlecht ausgebaut. Da kommt Hilfe von außen gelegen.

8,5 Milliarden US-Dollar stellen die Geberländer in den kommenden fünf Jahren zur Verfügung, eine Milliarde davon kommt aus Deutschland. Erst am Montag wurde ein Kredit über 300 Millionen Euro durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterzeichnet. Die Deutschen arbeiten mit Südafrika zusammen, um Solar- und Windkraftanlagen zu bauen, die Stromnetze für erneuerbaren Strom fit zu machen, überhaupt um die Energieeffizienz zu erhöhen. Generell sollen die Milliarden aus der JETP die Südafrikaner dabei unterstützen, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, und Elektrofahrzeuge und Projekte für grünen Wasserstoff fördern. Der Übergang soll "gerecht" gestaltet werden. Ähnlich wie in der Lausitz oder im Rheinischen Revier sollen Regionen sowie Mitarbeiter, die direkt vom Wandel betroffen sind, speziell unterstützt werden. Etwa durch Umschulungen.

Die südafrikanische Regierung glaubt, es werde 20 Jahre dauern, um diesen Prozess abzuschließen. Und nennt auch einen Betrag, der dafür nötig ist: fast 90 Milliarden US-Dollar. Die JETP kann lediglich die Initialzündung sein in der Hoffnung, dass anschließend auch private Investoren ins neue Energiegeschäft des Landes einsteigen.

"Die Partnerschaft wird nur funktionieren, wenn es Südafrika dabei hilft, auch seine Schuldendienste zu reduzieren", erklärt Saliem Fakir, geschäftsführender Direktor der African Climate Foundation, einer Denkfabrik für Klima und Entwicklung in Kapstadt. Entsprechend müssten die Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Bislang stehe die Regierungspartei ANC zu dem Projekt, berichtet Fakir, obwohl die Kohleindustrie fest im Land verankert sei. "Der Schlüssel liegt darin, sowohl die Industrie als auch die Kohlearbeiter mit ins Boot zu holen", glaubt er. Denn noch sei nicht absehbar, dass feste Arbeitsplätze hier später durch Stellen im Bereich erneuerbare Energien ersetzt werden.

Damit genau das geschieht, will die Regierung nun den Strommarkt liberalisieren, um private Investitionen in erneuerbare Energien überhaupt zu ermöglichen. Und im Bereich des grünen Wasserstoffs, auf den etwa die europäische Industrie schon fast sehnsüchtig wartet, wird immer wieder Südafrika genannt als möglicher Lieferant.

Sowohl die Geberländer wie auch Südafrika betonen auf der Weltklimakonferenz, diese Partnerschaft solle ein Beispiel sein für viele weitere. Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt und deutsche Verhandlungsführerin, spricht von einem Leuchtturmprojekt. Es herrscht Hoffnung, dass sich weitere Schwellenländer auf einen solchen Deal einlassen und dadurch die weltweiten Treibhausemissionen substanziell reduziert werden können. Denn die JETP könnte einen Knoten lösen rund um die Klimafinanzierung. Die einen wollen Geld, die anderen fragen: Wofür denn?

Verhandlungen laufen mit Senegal, Indonesien, Vietnam und Indien

Konkrete Verhandlungen über weitere JETPs führen die Industrieländer derzeit mit Senegal, Indonesien, Vietnam und Indien. Vor allem die drei asiatischen Länder sind noch stark auf Kohle angewiesen, ihre Treibhausgasemissionen stiegen in den vergangenen Jahren stark. "Um das 1,5-Grad-Ziel zu schaffen, brauchen wir diese Schwellenländer", sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium bei einer Pressekonferenz in Scharm el-Scheich am Dienstag. Doch die wiederum bräuchten finanzielle Hilfe bei der Transformation.

Dabei bremst die deutsche Delegation Hoffnungen, noch während der Klimakonferenz könnten weitere JETPs fest verabredet werden. Eventuell steht eine Einigung mit Indonesien bevor, das Land ist Gastgeber des G-20-Gipfels kommende Woche und könnte einen Abschluss dort selbst verkünden. Bei den anderen Ländern fehlt offenbar noch die Bereitschaft, im Gegenzug für die Milliardenhilfen auch ehrgeizige Klimaziele umzusetzen.

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