Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Warum sich der Vatikan mit den Rechten in Italien anlegt

Lesezeit: 3 min

Von Stefan Ulrich, München

Die katholische Kirche in Italien wurde früher kritisiert, sie mische sich ständig gegen die Linke und für die Rechte in die Politik ein. Tatsächlich pflegte die Kirche engste Bande zur langjährigen Dauerregierungspartei Democrazia Cristiana. Später ließ sie oft kritische Distanz zu Silvio Berlusconi und dessen Forza Italia vermissen. Heute, da Papst Franziskus im Vatikan regiert, ist das ganz anders. In diesen Tagen legt sich die katholische Kirche mit der stramm rechten Lega Nord und anderen populistischen Kräften an - und bekommt Beifall von Linksintellektuellen und aus der sozialdemokratischen Regierungspartei Partito Democratico. Der Grund: die Flüchtlingskrise.

Franziskus ist ein Papst, der aus Argentinien, einem Land des Südens, kommt. Ihm liegen die Probleme der Armen und Ausgegrenzten besonders am Herzen. Entsprechend wuchtig setzt er sich für Kriegs- und Armutsflüchtlinge ein und kritisiert die reichen Länder und Europa, die nicht genug für die Migranten täten. Das erbost die Lega Nord, die derzeit erfolgreichste Kraft der italienischen Rechten. Sie fordert eine scharfe Begrenzung der Einwanderung und eine strikte Abschiebung von Flüchtlingen. Etliche Bürgermeister der Partei in Oberitalien weigern sich sogar, den Anweisungen der Regierung nachzukommen und Asylbewerber aufzunehmen. Besonders Lega-Chef Matteo Salvini erregt mit schneidigen Äußerungen Aufsehen.

"Billige Marktschreier", die "äußerst abgeschmackte Dinge sagen"

Nun ist der Streit mit der Kirche eskaliert. Der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, Nunzio Galantino, der gerade irakische Flüchtlinge in Jordanien besucht hatte, rechnete seinen Landsleuten in einem Interview vor, Jordanien nehme bei einer Bevölkerung von ungefähr sechseinhalb Millionen Menschen zweieinhalb Millionen Flüchtlinge auf. Dabei habe dieses Land keineswegs mehr Mittel als Italien - aber wohl ein größeres Herz. Und dann kritisierte der Bischof in der Flüchtlingsdebatte noch die "billigen Marktschreier, die, um Stimmen zu erhaschen, äußerst abgeschmackte Dinge sagen". Jeder in Italien wusste, wen er meinte: Salvini und Gefährten.

Entsprechend scharf schießt nun die Lega zurück. "Ich kritisiere die Kirche nicht, aber die, die in ihrem Namen im Delirium reden oder Geschäfte machen", sagte Salvini. Viele Geistliche seien, genauso wie die Lega, der Ansicht, die Aufnahme von Flüchtlingen habe Grenzen. Ein Papst könne zwar so daherreden wie Franziskus, ein Bürgermeister aber müsse an seine Mitbürger denken und diese schützen.

Andere Lega-Politiker forderten, die Kirche solle mit gutem Beispiel vorangehen und die Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Das kontern Kirchenvertreter mit den Worten, die italienische Caritas habe schon mehr als 10 000 Asylbewerber aufgenommen. Weiteren 15 000 Flüchtlingen habe die Kirche mit spontanen Aktionen bei der Ankunft in Süditalien geholfen. Und man werde gern noch mehr tun.

Auch die zweite große, eigentlich eher links ausgerichtete Oppositionskraft, die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo, macht in der Flüchtlingsfrage mobil und stellt sich teilweise klar auf die Seite der Lega. Einer der Fünf-Sterne-Politiker machte etliche Vorschläge, um weniger Aufenthaltsgenehmigungen an Einwanderer zu vergeben und abgelehnte Asylbewerber entschlossener abzuschieben. Dies sorgte in der Fünf-Sterne-Bewegung für Kritik, doch Grillo selbst neigt der harten Linie zu.

Dies gilt auch für Forza Italia und Berlusconi. So wird der Papst in einem Kommentar der Zeitung Il Giornale, die der Berlusconi-Familie gehört, ungewöhnlich scharf attackiert. Franziskus sei selbstgefällig, sage oft Dummheiten, blende die Realität aus und sei nicht weit davon entfernt, die Kirche zu zerstören.

Die Bilder von Flüchtlingsbooten machen viele Politiker und Bürger nervös

Die hitzige Debatte zeigt zweierlei: Erstens machen die Bilder der nahezu täglich über das Mittelmeer nach Italien fahrenden überfüllten Flüchtlingsboote viele Politiker und Bürger nervös, zumal sie sich von den anderen EU-Staaten zu wenig unterstützt fühlen. Zweitens gerät die Kirche unter Franziskus zunehmend auf Konfrontationskurs mit rechtspopulistischen Kräften. Allerdings nicht nur mit diesen.

Am Mittwoch sagte Galantino, der kämpferische Generalsekretär der Bischofskonferenz, die sozialdemokratisch dominierte Regierung in Rom sei beim Thema Einwanderung total abwesend. "Es reicht nicht, die Migranten auf dem Meer zu retten, um das nationale Gewissen zu beruhigen." Die Flüchtlinge müssten auch in die Gesellschaft aufgenommen werden. Italien solle dabei von Deutschland lernen und dessen Gesetze kopieren.

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Quelle:
SZ vom 13.08.2015
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