Süddeutsche Zeitung

Kämpfe in Syrien:Menschenrechtler berichten von Dutzenden Toten

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Die Lage in Syrien verschärft sich: Bei den Auseinandersetzungen zwischen dem Assad-Regime und Regierungsgegnern sollen allein am Montag etwa hundert Menschen getötet worden sein, mehr als die Hälfte von ihnen Zivilisten. Angesichts der massiven Gewalt verstärkt der Westen den Druck auf Russland und China: Sie sollen sich einer UN-Resolution nicht länger verweigern.

Das Ringen der internationalen Gemeinschaft um eine Lösung für den Konflikt in Syrien tritt offenbar in eine neue Phase. Im UN-Sicherheitsrat sollen sich die Kräfte zugunsten einer Verurteilung des Vorgehens der Regierung in Damaskus verschieben. Denn das Regime von Präsident Baschar al-Assad scheint immer brutaler gegen seine Gegner vorzugehen.

Nach Angaben von Menschenrechtlern sollen bei den Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Regierungsgegnern allein am Montag etwa einhundert Menschen getötet worden sein. Bei 55 Opfern handele es sich um Zivilisten, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit.

Darüber hinaus verzeichnete die Beobachtungsstelle zehn getötete desertierte Soldaten, 25 getötete Soldaten der syrischen Armee und sechs getötete weitere Sicherheitskräfte. Die Kämpfe und Gewalttaten dauerten auch am Dienstag an.

Nach Angaben von Aktivisten rückten Regierungstruppen weiter in Vororte der Hauptstadt Damaskus vor, die bisher von Aufständischen kontrolliert wurden. Die Menschenrechtsbeobachtungsstelle berichtete von "heftigen Schießereien" in den Ortschaften Samalka und Arbeen. Unterdessen hätten Deserteure der syrischen Streitkräfte die zentrale Stadt Rastan nach tagelangen Gefechten vollständig unter ihre Kontrolle gebracht, sagte ein Aktivist.

US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte die jüngste Eskalation der Gewalt in Syrien scharf und rief den UN-Sicherheitsrat zum Handeln auf. Das höchste Gremium der Vereinten Nationen müsse "eine klare Botschaft der Unterstützung an das syrische Volk senden, teilte Clinton in einer am Montag in Washington veröffentlichten Erklärung mit.

Der Sicherheitsrat will an diesem Dienstag in New York in einer Sondersitzung über die Lage in Syrien beraten. Dabei soll der Generalsekretär und der Syrienbeauftragte der Arabischen Liga über die Situation in dem seit Monaten von Gewalt erschütterten Land informieren. Zur Debatte steht auch ein Resolutionsentwurf, den Marokko am Freitag im Namen der arabischen und europäischen Staaten vorgelegt hatte.

Clinton fordert Sicherheitsrat zum Handeln auf

In dem Papier werden ein Ende der Gewalt und politische Reformen in Syrien gefordert. "Der Sicherheitsrat muss handeln und dem syrischen Regime klarmachen, dass die Weltgemeinschaft ihr Handeln als eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit betrachtet", sagte Clinton, die selbst an der Sicherheitsratssitzung teilnehmen wollte.

Französischen Diplomaten zufolge sind die Erfolgschancen für die Verabschiedung einer UN-Resolution inzwischen gut. Die Kräfteverhältnisse im höchsten UN-Gremium hätten sich "verändert", sagte ein Diplomat. Demnach sind "mindestens zehn" der 15 Mitglieder des Gremiums für einen Vorschlag der Arabischen Liga, der einen "friedlichen" Machtwechsel in Damaskus vorsieht.

Russland hatte allerdings bereits im Vorfeld der UN-Sitzung klargemacht, dass es die europäisch-arabische Syrien-Resolution unter keinen Umständen unterstützen werde. Sie sei unausgewogen, hieß es. Auch China hat sich bislang gegen jede Resolution gesperrt. Die Moskauer Regierung hatte sich selbst als Vermittler angeboten und Vertreter von Regierung und Opposition zu Gesprächen eingeladen - was von den Regimegegnern allerdings bis zu einem Rücktritt Assads ausgeschlossen wurde.

Der britische Premierminister David Cameron forderte Russland erneut zur Zustimmung zu einer Resolution auf. Die Lage in Syrien sei "offen gesagt entsetzlich", sagte Cameron Montagnacht nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Wenn die Gewalt nicht aufhöre, werde die EU ihre Sanktionen verschärfen.

Auch nach Ansicht von Außenminister Guido Westerwelle darf der UN-Sicherheitsrat in der Syrien-Frage keine Zeit mehr verlieren. Am Rande eines Besuches in der ägyptischen Hauptstadt Kairo appellierte er an die Partner im Sicherheitsrat, die noch zögerten, ihre Haltung angesichts der jüngsten Positionierung der Arabischen Liga zu überdenken. Diese hatte ihre Beobachtermission in Syrien wegen der eskalierenden Gewalt abgebrochen.

Zur einer möglichen Vermittlerrolle Moskaus äußerte sich der Minister zurückhaltend. Es sei gut, wenn Russland durch solche Vorschläge "ein gewisses Maß an Flexibilität" zeige, sagte Westerwelle. "Entscheidend ist aber, dass wir zu einer Resolution im Sicherheitsrat kommen."

Hacker-Angriff auf Assad

Der UN zufolge sind seit März 2011 mehr als 5400 Menschen bei den Unruhen in Syrien getötet worden. Am Montag hatte sich die Lage in dem Land weiter verschärft. Nach unbestätigten Gerüchten versuchten Assads Frau und Söhne das Land zu verlassen - und wurden daran gehindert.

Einem Hacker aus Saudi-Arabien soll es unterdessen gelungen sein, E-Mails des syrischen Präsidenten herunterzuladen. Das berichtete die saudische Zeitung Al-Madina. Der Hacker namens Osama Salman al-Ansi habe Daten im Umfang von vier Gigabyte gestohlen, darunter Material, das zur Enthüllung etlicher "Skandale" beitragen könnte. Unter anderem gehe es dabei um die Rolle Irans bei der Niederschlagung des Aufstandes in Syrien.

Der Hacker habe dem Präsidenten eine Botschaft übermittelt, in der er ihm gedroht habe, die Informationen zu veröffentlichen, falls er die Gewalt gegen die Protestbewegung nicht einstellen sollte. Die Zeitung berichtete außerdem, Al-Ansi habe mehrere Websites der syrischen Regierung gehackt. Allerdings funktionierten diese am Dienstag schon wieder normal.

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