Süddeutsche Zeitung

Rechtsstaat:Was die Justizminister gerade umtreibt

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Marco Buschmann und seine Länderkollegen planen, am Freitag geschlossen gegen Antisemitismus aufzutreten. Nachdenken wollen sie auch über Stalker, die ihren Opfern mit moderner Technik nachstellen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wenn sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder an diesem Freitag zur Herbstkonferenz in Berlin treffen, dann wird es um den Kampf gegen Verfassungsfeinde in der Justiz gehen, um Jugendgewalt, Hass im Netz und die Nutzung künstlicher Intelligenz für kriminelle Zwecke. Vor allem aber wollen die Teilnehmer des Treffens die Entschlossenheit der Justiz unter Beweis stellen, jüdisches Leben in Deutschland vor Anfeindung zu schützen.

"Antisemitischer Terror der Hamas in Israel und die Folgen für den öffentlichen Frieden in Deutschland", heißt eine Beschlussvorlage, die das Land Berlin zusammen mit Hessen bei der Konferenz eingebracht hat. Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos), die Gastgeberin der Zusammenkunft, hat Israels Botschafter Ron Prosor und den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, als Gäste zum Justizministertreffen eingeladen.

"Wir arbeiten schon an weiteren Verboten."

Ein demonstrativer Schulterschluss der Länder ist da geplant. Der Freistaat Bayern will der geplanten Resolution allerdings noch weitere, strafrechtliche Forderungen hinzufügen. Ganz einfach wird das nicht. Denn schon jetzt werden nahezu täglich neue Maßnahmen im Kampf gegen Antisemitismus und extremistische Hetze bei pro-palästinensischen Kundgebungen beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zudem ein Betätigungsverbot für die islamistische Hamas-Bewegung erlassen und den deutschen Ableger des Netzwerks Samidoun aufgelöst. "Wir arbeiten schon an weiteren Verboten", sagte sie am Donnerstag im Bundestag.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich geht das offenbar nicht weit genug. "Wer den Terror der Hamas leugnet oder bejubelt, verhöhnt das Leiden der Opfer auf unerträgliche Weise", sagte er vor der Justizministerkonferenz. Der CSU-Politiker will die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe stellen. Die Maßnahme wurde 1976 im Kampf gegen den Terror der RAF eingeführt. Paragraf 129a des Strafgesetzbuches stellte damals jede Werbung für terroristische Organisationen unter Strafe, auch vergleichsweise harmlose Handlungen wie das Besprühen von Hauswänden. Der Passus, der bei Gerichten zunehmend als unverhältnismäßig galt, wurde 2002 von der rot-grünen Bundesregierung gestrichen.

Justizminister Buschmann hält neue Gesetze gegen Islamisten für unnötig

Eisenreich will ihn nun wiederbeleben - selbst dann, wenn die extremistische pro-palästinensische Organisation schon verboten ist, für die geworben werden könnte. Die Sanktionierung strafbaren Verhaltens sei "unabhängig von etwaig bestehenden behördlichen Vereinsverboten", heißt es im bayerischen Justizministerium. "Das besondere Unrecht der Werbung für terroristische Vereinigungen soll im Übrigen auch im höheren Strafmaß des § 129a Abs. 5 Satz 2 des Strafgesetzbuches zum Ausdruck kommen." Das Strafgesetzbuch sieht an dieser Stelle Freiheitsstrafen zwischen einem und zehn Jahren vor, auch für Taten, die geeignet sind "die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern".

Für Verärgerung sorgte vor der Konferenz ein Brief, den Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) an die Länder geschickt hatte. Darin forderte er sie zu einer "Nulltoleranzpolitik" gegen Antisemitismus auf, die sich "im Vollzugsalltag bewähren" müsse. Buschmann ließ erkennen, dass er im Kampf gegen islamistische Gruppen keine neuen Gesetze für nötig hält, sondern eine konsequentere Durchsetzung bestehender Regelungen. In den Ländern reagierten einige verschnupft. Die Länderpolizeien gingen bereits konsequent gegen judenfeindliche Kundgebungen vor. Man bedürfe keiner Nachhilfe aus Berlin.

Auch um Kinderbilder, die Eltern im Netz posten, wird es gehen

Thema bei der Justizministerkonferenz wird auch die heimliche Überwachung mit Bluetooth-Trackern und Peilsendern sein. Die winzigen Ortungsgeräte sind eigentlich dafür gedacht, Autos oder Koffer nach einem Diebstahl zu orten. "Es gibt Fälle, in denen diese Tracker eingesetzt wurden, um Personen ohne ihre Zustimmung und ihr Wissen zu orten und zu überwachen", erklärte Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Gerade für Opfer von Stalking durch Ex-Partner sei das "ein absoluter Horror". Gesetze, die solche Taten sanktionieren, gibt es bisher nicht. Hamburg und Bayern wollen hier das Strafrecht nachschärfen.

Ein weiterer Beschlussantrag aus Hamburg richtet sich gegen Eltern, die unbekümmert Bilder ihrer Kinder ins Netz stellen. Teilweise würden dabei von Influencern gezielt demütigende Situationen gezeigt, um Klicks nach oben zu treiben und Werbeeinnahmen zu steigern. Um Persönlichkeitsrechte von Kindern zu wahren, soll hier der Kinderschutz verbessert werden. Auch Straftaten, bei denen mit digital manipulierten Stimmen Angehörige zu Geldzahlungen veranlasst werden, sollen verfolgt werden können. Bisher fehlten im Bereich digitaler Technologien oft einschlägige Gesetze.

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