Süddeutsche Zeitung

"Palandt", "Schönfelder" und Co.:Verlag beendet Ehrung von Nazis

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Wichtige juristische Nachschlagewerke heißen bis heute nach NSDAP-Mitgliedern. Der Münchner Verlag C. H. Beck reagiert nun auf jahrelange Kritik - und vollzieht einen radikalen Schnitt.

Von Ronen Steinke, Berlin

In deutschen Gerichtssälen sind Nationalsozialisten noch immer sehr präsent. Wenn Richterinnen oder Richter etwas nachschlagen wollen, ziehen sie regelmäßig den "Palandt" heran, den wichtigsten Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Dieses Nachschlagewerk aus dem Verlag C. H. Beck, aktuell in der 80. Auflage, trägt seit 1938 den Namen von Otto Palandt. Der war NSDAP-Mitglied und Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes. Viele nutzen auch den "Schönfelder", die auflagenstärkste Gesetzessammlung, ebenfalls aus dem Hause C. H. Beck. Sie heißt nach dem NSDAP-Juristen Heinrich Schönfelder.

Nun hat der Münchner Traditionsverlag überraschend angekündigt, sich von den alten Nazi-Namensgebern zu verabschieden. Am Dienstag gab der Verlag bekannt: Der "Palandt" werde umbenannt. Es sei an der Zeit. Das Werk soll künftig den Namen von Christian Grüneberg tragen. Grüneberg, heute Richter am Bundesgerichtshof, ist bislang auch in der Juristenwelt nur wenigen bekannt. Er koordiniert aber die Arbeit der vielen Autorinnen und Autoren, die zu dem Gesetzeskommentar beitragen. Schon von der nächsten, der 81. Auflage an, die im November erscheinen soll, wird sein Name auf praktisch jedem Richterpult zu finden sein.

Auch die Gesetzessammlung "Schönfelder" soll umbenannt werden, teilt der Verlag mit. Sie soll künftig von dem Präsidenten des Deutschen Juristentags Mathias Habersack herausgegeben werden und auch nach diesem heißen. Habersack ist Professor für bürgerliches Recht und Unternehmensrecht an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Der bisherige Namensgeber Schönfelder war schon 1944 gestorben. Von ihm stammt heute noch die Nummerierung der Gesetze. In der Gesetzessammlung trägt das Bürgerliche Gesetzbuch die Nummer 20. Früher waren auf den Plätzen 1 bis 19 nämlich noch das NSDAP-Parteiprogramm und verschiedene Rassengesetze.

Damit gibt der Verlag jahrelanger Kritik nach. Eine Gruppe von Hamburger Promovierenden hatte 2014 begonnen, auf die NS-Geschichte gängiger juristischer Werke aufmerksam zu machen. Ausgehend von ihrer "Initiative Palandt umbenennen" hatten zuletzt Politiker von grünen Landesjustizministern über die SPD-Bundesjustizministerin bis hin zum bayerischen CSU-Landesjustizminister an den Beck-Verlag appelliert. Von dem CSU-Mann Georg Eisenreich stammte nun der entscheidende Anstoß. Im Mai hatte er eine unabhängige historische Studie in Auftrag gegeben, um die NS-Vergangenheit der Namensgeber erneut zu erforschen. Gleichzeitig riet er dem Verleger Hans Dieter Beck in einer Reihe von persönlichen Gesprächen, sich lieber nicht zu lange treiben zu lassen, sondern reinen Tisch zu machen.

Auch "Maunz/Dürig" und "Blümich" erhalten neue Namen

Der Verlag nutzt nun die Gelegenheit, um auch gleich einen der wichtigsten Kommentare zum Grundgesetz umzubenennen. Das Standardwerk "Maunz/Dürig" heißt nach seinem Begründer Theodor Maunz. Dieser war in der NS-Zeit ein einflussreicher Rechtsprofessor. Nach 1945 war er Mitglied des Verfassungskonvents in Herrenchiemsee, dann bayerischer Kultusminister für die CSU. 1964 musste er wegen seiner NS-Vergangenheit zurücktreten, beriet dann aber jahrelang die rechtsradikale DVU des Münchner Verlegers Gerhard Frey und schrieb unter Pseudonym für dessen Zeitung.

Das Werk soll künftig "Dürig/Herzog/Scholz" heißen, nach zwei prägenden Ko-Autoren: dem ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten und Bundespräsidenten Roman Herzog und dem ehemaligen Verteidigungsminister und Staatsrechtler Rupert Scholz. Schließlich kündigt der Verlag an, auch einen Kommentar zum Steuerrecht umzubenennen, den aktuell in 157. Auflage erscheinenden "Blümich". Anstelle von Walter Blümich, der von 1933 an im Reichsfinanzministerium die steuerliche Diskriminierung von Juden vorantrieb, soll das Werk künftig den Namen der heutigen Herausgeber Peter Brandis und Bernd Heuermann tragen.

Unzweifelhaft ist, dass die alten Namensgeber längst nur noch das sind: Namensgeber. Die Inhalte der juristischen Werke sind schon lange entnazifiziert. In den vergangenen Jahren hatte der Beck-Verlag deshalb gegen Kritiker argumentiert: Man wolle an den NS-belasteten Namen festhalten, nicht nur, weil sie als "Marke" etabliert seien, sondern auch, um Leserinnen und Leser über die Historie "stolpern" zu lassen. "Namensgeber für Gesetzessammlungen und Kommentare müssen integre Persönlichkeiten sein", hatte zuletzt aber der CSU-Minister Georg Eisenreich erwidert. "Keine Nationalsozialisten."

Um "Missverständnisse auszuschließen" lenke man nun doch ein, so hat es der Verleger Hans Dieter Beck am Dienstag in einer Pressemitteilung des Verlags mitgeteilt. Man wolle das eigene Verlagsprogramm auch noch weiter auf mögliche problematische Titel hin untersuchen.

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