Süddeutsche Zeitung

Jemen brüskiert USA:"Er ist ein Prediger, kein Terrorist"

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Washington hat Anwar al-Awlaki zur "extralegalen Tötung" freigegeben. Fürsprache für die Führungsfigur von al-Qaida kommt aus dem Jemen.

Tomas Avenarius

Die jemenitische Regierung stellt sich vor einen mutmaßlichen Al-Qaida-Prediger, den die US-Regierung von ihren Geheimdiensten angeblich töten lassen will. Washington hatte laut US-Medienberichten vor wenigen Tagen beschlossen, den jemenitischen Prediger Anwar al-Awlaki außergesetzlich umbringen zu lassen.

"Wir sehen in Awlaki keinen Terroristen, sondern eher einen Prediger", sagte der jemenitische Außenminister Abubaker Abdulla al-Qirbi in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa der Süddeutschen Zeitung. "Solange der Mann sich im Jemen aufhält, untersteht er der jemenitischen Gerichtsbarkeit", erklärte er. Washington müsse die Vorwürfe gegen Awlaki, der sowohl die amerikanische als auch die jemenitische Staatsbürgerschaft besitzt, erst einmal beweisen.

Affront gegen Washington

Jemen hat sich Washington gegenüber zum Kampf gegen den Terror verpflichtet. Das ärmste arabische Land bezieht umfangreiche US-Militärhilfe.

Mit den Aussagen des Außenministers stellt sich die jemenitische Regierung nun gegen die US-Führung. Washington betrachtet den Prediger Awlaki als eine der Führungsfiguren von "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und sieht den Jemen als neue Terrorhochburg.

Awlaki steht auf der Verdächtigenliste der Al-Qaida-Leute weit oben: Die US-Regierung hatte ihre Dienste vor wenigen Tagen angeblich angewiesen, den Geistlichen zu ermorden. Der Islam-Prediger wäre einer der sehr seltenen Fälle, in denen ein US-Staatsbürger zur extralegalen Tötung freigegeben wurde.

Die Regierung in Sanaa hatte sich früher ähnlich wie die US-Sicherheitsbehörden über Awlaki geäußert. Es bestehe "kein Zweifel, dass der Unterhosenbomber Kontakt mit Al-Qaida-Elementen hatte, unter ihnen Anwar al-Awlaki", sagte Vize-Premier Raschid Muhammed al-Alimi noch im Januar.

Spirituelle Führung für Terroristen

Der sogenannte "Unterhosenbomber" Umar Farouk Abdulmutallab hatte am ersten Weihnachtstag 2009 versucht, auf dem Flug von Amsterdam nach Detroit eine Maschine mit Sprengstoff in die Luft zu jagen, den er in seiner Unterwäsche an Bord geschmuggelt hatte.

Der Vize-Premier hatte zudem versichert, "dass wir in der Lage sind, alle Terroristen auszuschalten und der Gerechtigkeit zuzuführen". Offenbar scheut die Regierung inzwischen aber vor einem Konflikt mit dem Stamm Awlakis zurück, bei dem der Prediger Unterschlupf gefunden hat. Einzelne Stämme wie der Awlakis haben im Jemen große politische Macht und sind gut bewaffnet.

Awlaki wurde in den USA geboren. Er kehrte mit sechs Jahren in sein Heimatland zurück, wo sein Vater Minister war. Später studierte und predigte Awlaki in den USA, um 2005 erneut in den Jemen überzusiedeln.

Er soll Kontakt zu Terroristen gehabt haben, die ihn als ihren spirituellen Führer in islamischen Fragen betrachteten. Dazu gehören der "Unterhosenbomber" und der Fort-Hood-Attentäter: Der Militärpsychiater Nidal Hasan hatte auf der US-Basis 13 Armeeangehörige erschossen. Sowohl Abdulmutallab als auch Hasan sollen den geistlichen Beistand Awlakis gesucht haben.

Der Prediger soll auch zu Hintermännern und Tätern der Londoner U-Bahn- und Busanschläge sowie zu Attentätern des 11.September Kontakt gehabt haben.

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