Süddeutsche Zeitung

Wahlen in Italien:Sieg für Melonis Rechtsbündnis

Lesezeit: 2 min

Den ersten großen Stimmungstest nach 100 Tagen gewinnt die Dreier-Koalition in der Lombardei und in Rom souverän - bei dramatisch schlechter Wahlbeteiligung.

Von Marc Beise, Rom

"Geht und stimmt ab. Es ist wichtig!" Die Aufrufe italienischer Parteiführer zur Teilnahme an den Regionalwahlen vom Sonntag und Montag waren zuletzt immer dringlicher geworden, aber geholfen haben sie nicht: Mit rund 40 Prozent lag das Wählerinteresse dramatisch niedrig, vor fünf Jahren waren es noch rund 70 Prozent gewesen; Schlusslicht ist ausgerechnet die Hauptstadt Rom mit nur noch 33 Prozent. Das relativiert den klaren Sieg, den das Rechtsbündnis von Premierministerin Giorgia Meloni an den Wahlurnen errungen hat.

In der Lombardei wurde der gemeinsame Kandidat der Rechten für das Amt des Regionalpräsidenten, Amtsinhaber Attilio Fontana von der Lega, komfortabel wiedergewählt. Im Latium gewann ebenfalls der Kandidat des Rechtsbündnisses mit großem Abstand, der frühere Rotkreuz-Präsident Francesco Rocca von Melonis Partei Fratelli d'Italia. Es wurde zwar nur in zwei von 20 Regionen gewählt, aber die stehen für ein Viertel aller Stimmberechtigten in Italien. Wenn sie denn gewählt hätten: Die Wahlbeteiligung, die teilweise so niedrig liegt wie seit 50 Jahren nicht mehr, wurde allgemein mit Betroffenheit zur Kenntnis genommen.

Die oppositionelle Linke ist weiter unorganisiert und zerstritten

Der Durchmarsch der Rechten hatte sich abgezeichnet, zumal die oppositionelle Linke unorganisiert und zerstritten ist. Nicht einmal in der Hauptstadtregion, wo sie bisher die Mehrheit hatte, konnte man sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Auffällig ist auch, dass nach ersten Hochrechnungen in beiden Regionen Melonis reichlich chaotische Fratelli deutlich vorne liegen, auch in der Lombardei.

Damit hat die Römerin und erste Frau an der Regierungsspitze ihre beiden Koalitionäre, die rechtskonservative Forza Italia des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und die rechtspopulistische Lega des Matteo Salvini, abgehängt. Und das, obwohl Berlusconi wie Salvini aus Mailand stammen und dort bisher ihre Hochburgen hatten. Ihr weiteres Verhalten jenseits der üblichen Jubel-Kommentare des Wahltages werden von besonderem Interesse sein.

Verstärken die Wahlen die Fliehkräfte in der Rechtskoalition?

Damit geht nun die Arbeit für Meloni im bisherigen Muster weiter. Die Parteiführerin der Postfaschisten hat das Problem, dass sie mit einem überraschend moderaten Kurs im bürgerlichen Lager, in der Wirtschaft und auch in der EU durchaus Sympathien gewinnt, ohne daraus aber bisher Kapital schlagen zu können. In Brüssel wird sie von wichtigen Akteuren weiter als Paria behandelt, namentlich von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, mit dem sie in vielerlei Hinsicht über Kreuz ist. Macron düpierte die Italienerin gerade, als er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am Vorabend des EU-Gipfels in Paris empfing und zwar den deutschen Kanzler Olaf Scholz dazu bat, aber eben nicht Meloni. Mit Melonis Vorgänger Mario Draghi noch hatte es symbolträchtige Bilder eines gleichberechtigten Trios gegeben.

In Italien wird das als schwere Niederlage gewertet, die man je nach Lager entweder den bösen Europäern oder der fehlenden Durchsetzungskraft Melonis zuschreibt. Auch muss die Regierungs- und Parteichefin im Inland buchstäblich täglich mit Querschüssen aus ihrer Koalition rechnen, zuletzt durch Berlusconi, der Selenskij vor laufenden Kameras direkt anging und ihn quasi als Kriegstreiber diffamierte. Auch andere Koalitionäre fallen immer wieder durch radikale Äußerungen auf, was auch kein Wunder ist, denn alle drei Parteien sind mehrheitlich stramm rechts positioniert. Diese Grundstimmung bricht sich immer wieder Raum, auch wenn Meloni bislang die große Pragmatikerin mimt und sich mangels kompetenter Weggefährten auf etablierte Kräfte aus der Draghi-Ära stützt.

Die Regionalwahlen könnten die Fliehkräfte in der bisweilen chaotisch agierenden Koalition weiter verstärken. Ohnehin haben viele Beobachter der Regierung nach der Wahl nur ein paar Monate gegeben. Daran gemessen hält vor allem Meloni persönlich sich ziemlich gut. Fragt sich aber, ob das wie angekündigt für die volle, noch viereinhalb Jahre dauernde Legislaturperiode reicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5750736
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.