Süddeutsche Zeitung

Israel:Ende der Ära Netanjahu

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Ein Acht-Parteien-Bündnis hat eine neue Regierung gebildet und den Premier nach zwölf Jahren im Amt abgelöst. Sein Nachfolger Bennett verfügt aber nur über eine knappe Mehrheit. Und Netanjahu kündigt bereits Widerstand in der Opposition an.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israel hat eine neue Regierung. Am Sonntagabend wurde in der Knesset, dem israelischen Parlament, nach heftigen Debatten per Vertrauensabstimmung eine neue Koalition unter Führung von Naftali Bennett ins Amt gewählt. Sein Acht-Parteien-Bündnis verfügt im Parlament jedoch nur über eine fragile Mehrheit. In der Abstimmung, bei der eine relative Mehrheit ausreichte, gewann die Regierung mit 60 zu 59 Stimmen, bei einer Enthaltung. Der Machtwechsel markiert das Ende der Ära von Premierminister Benjamin Netanjahu. Er hatte das Land insgesamt 15 Jahre lang regiert, darunter zwölf Jahre ununterbrochen seit 2009.

Das Ziel einer Ablösung Netanjahus, der in Jerusalem wegen Korruption vor Gericht steht, diente als stärkster Kitt der heterogenen Koalition. Das Bündnis umfasst Parteien aus dem rechten und linken Spektrum sowie aus der politischen Mitte. Erstmals in Israels Geschichte ist mit der islamischen Raam-Partei auch eine Partei der arabischen Minderheit an einer Regierung beteiligt.

Vereinbart wurde ein Rotationsverfahren für das Amt des Premierministers. Bis August 2023 soll Naftali Bennett von der rechten Jamina-Partei die Regierungsgeschäfte in Israel führen. Dann soll ihn Jair Lapid ablösen, der bis dahin als Außenminister vorgesehen ist und als Architekt der neuen Koalition gilt. Lapids liberale Zukunftspartei stellt zudem mit 17 Abgeordneten die weitaus stärkste Fraktion in der Koalition, die nun die Geschäfte im Land übernimmt.

Am Kabinettstisch werden 28 Minister sitzen. Im Koalitionsvertrag wurden aufgrund der ideologischen Unterschiede strittige Themen wie der Friedensprozess mit den Palästinensern oder der Siedlungsbau im besetzen Westjordanland weitgehend ausgeklammert. Vorrang haben Sachfragen wie die Verabschiedung eines Haushalts oder von der Raam-Partei ausgehandelte konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der arabischen Minderheit.

Die Koalition ist mit dem Vorsatz angetreten, die tiefen Gräben in Israels Gesellschaft zu überbrücken. Bennett versprach "das Ende eines zweieinhalbjährigen politischen Stillstands". In den vergangenen zwei Jahren waren die Israelis unter Netanjahus Führung viermal zu Neuwahlen aufgerufen worden. "Die Regierung wird für alle Israelis arbeiten, Religiöse und Säkulare, Ultraorthodoxe und Araber, ohne Ausnahme", versprach Bennett.

Anfeindungen aus dem Lager Netanjahus

Begleitet war die Regierungsbildung von Anfeindungen aus dem Lager Netanjahus. Vor allem den in der Koalition vertretenen rechten Parteien wurde "Verrat" vorgeworfen und die Beteiligung an einer "gefährlichen linken Regierung". Bis zum Schluss wurde versucht, einzelne Abgeordnete aus dem Bündnis herauszubrechen.

Benjamin Netanjahu, dessen Likud-Partei mit 30 Sitzen die mit Abstand meisten Mandate in der Knesset hält, will als Oppositionsführer in der Politik bleiben. Zwar hat seine Partei eine ordnungsgemäße Übergabe der Macht zugesichert. Doch schon in seiner Abschiedsrede als Premier am Sonntag kündigte Netanjahu an, er werde alles tun, um die "gefährliche Regierung" zu Fall zu bringen.

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