Süddeutsche Zeitung

Islamkonferenz:Das Kreuz mit der Integration

Lesezeit: 3 min

In Berlin lädt Innenminister de Maizière zur Islamkonferenz. Das Forum soll endlich Ergebnisse erzielen. Das Problem: Für einen Dialog bräuchte man Gesprächspartner. Diese fehlen aber.

Hanna Ziegler

Rund vier Millionen Muslime leben in Deutschland. Seit Jahren schon. Und doch ist lange nichts passiert. Bequem war das sauber getrennte Nebeneinander. Doch während der christliche Bevölkerungsteil in seinen Kirchen Gottesdienste feiert, praktizieren die Muslime ihren Glauben meist zurückgedrängt in abgelegenen und für die Öffentlichkeit unsichbaren Gebetsräumen.

Sie fühlen sich ausgegrenzt und ungerecht behandelt. Das sah 2006 auch der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein und rief die Deutsche Islamkonferenz ins Leben. Politiker und Muslime setzen sich an einen Tisch und entwickeln Strategien zur besseren Integration. So simpel wie es klingt, scheint es jedoch nicht zu sein. Denn bisher konnte man sich nur auf relativ allgemeine Ergebnisse, wie eine gemeinsame Wertebasis, verständigen. Das ist nicht viel.

In der zweiten Phase der Islamkonferenz, die der neue Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) jetzt einläutet, soll es konkret werden. Hier geht es etwa um die Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Doch bevor es ins Detail geht, sollte man sich vorher vielleicht noch einmal grundsätzliche Gedanken über die Stellung des Islam in Deutschland machen.

So förderte in den letzten Tagen eine alarmierende Studie des INFO-Instituts besorgniserregende Ergebnisse zu Tage. Die Forscher fanden heraus, dass jeder fünfte Deutsche fremdenfeindlich ist. 44 Prozent der befragten Deutschen bezweifeln die Friedfertigkeit des Islam.

Nicht nur wegen der Vorbehalte gegenüber den Muslimen ist der Erfolg der Islamkonferenz fraglich. Kurz vor dem Treffen am Montag sorgte der Zentralrat der Muslime (ZMD) für Aufsehen. Überraschend hat er seine Teilnahme an den Gesprächen in Berlin absagt. Der ZMD-Vorsitzende Ayyub Axel Köhler moniert, dass nicht genug Moscheegemeinden vertreten seien und die Konferenz kein "konkretes Ziel" verfolge.

Herber Rückschlag

Ein herber Rückschlag. Immerhin vertritt der Zentralrat als Dachverband von 300 Moscheegemeinden mehr als eine halbe Million Muslime in Deutschland. Zuvor war schon der Islamrat unter Protest des ZMD durch den Innenminister von der Konferenz ausgeschlossen worden.

Gegen eines seiner Mitglieder, den Moscheeverband Milli Görüs, wird unter anderem wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Zudem wird er vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuft. Doch mit der Suspendierung des Islamrates, der ebenfalls etwa 300 Moscheegemeinden unter seinem Dach beheimatet, werden viele weitere Muslime bei der heutigen Konferenz nicht vertreten sein. Dabei ist es ohnehin schwierig genug, die lose organisierten Muslime mehrheitlich zu repräsentieren. Doch ein Dialog, bei dem der Gesprächspartner fehlt, ist am Ende keiner.

Wenn Ayyub Axel Köhler die Islamkonferenz als "unverbindlichen Debattier-Club" bezeichnet, wird deutlich, wie gering das Vertrauen in die Wirkkraft des Forums ist. Der Zentralrat will unter anderem, dass muslimische Organisationen in Deutschland als Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Erst dann hätten sie die gleiche Rechte wie etwa die Zeugen Jehovas. Eine Perspektive, die den Dachverband künftig zurück an den Verhandlungstisch holen könnte.

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) kann die Motive der Absage nicht nachvollziehen und kritisiert den Zentralrat scharf. Er spricht in der Süddeutschen Zeitung von "verbandspolitischen Spielchen", die den Muslimen letztendlich selbst schaden würden, weil sie Fortschritte verzögern würden. Dennoch sieht er die Glaubwürdigkeit der Konferenz nicht gefährdet. Der Vorsitzende der Konferenz der Integrationsminister geht davon aus, dass auch die fehlenden Verbände bei einem gefundenen Konsens mitziehen würden.

Doch geht es den Muslimen nicht nur um politische Vereinbarungen. Auch gesellschaftlich stehen sie im Abseits. So ist Ayyub Axel Köhler der Meinung, dass das Thema "Islamfeindlichkeit" vernachlässigt werde. Ein verständlicher Einwand, wenn man die Ergebnisse der INFO-Studie betrachtet: "Es herrscht bei vielen Deutschen eine diffuse Angst vor dem Islam vor", sagt Holger Liljeberg vom Meinungsforschungsinstitut INFO.

Skepsis gegenüber Muslimen

Bei seiner Studie zur Wertewelt von Deutschen und Migranten wurden rund 2100 Deutsche und Menschen mit Migrationshintergrund aus 83 Staaten befragt. Die Bilanz: Nicht nur Fremdenfeindlichkeit ist erschreckend weit verbreitet. Gerade gegenüber Muslimen ist die Skepsis besonders hoch. So würden etwa 60 Prozent der Deutschen keinen gläubigen Muslim in der eigenen Familie akzeptieren.

Demoskop Liljeberg vermutet mehrere Gründe, die hinter der Ablehnung stecken könnten: "Zum einen gibt es da das gängige Vorurteil, dass die Gastarbeiter den Deutschen die Arbeit weggenommen hätten." Öl ins Feuer gegossen haben zudem der Terroranschlag vom 11. September 2001 und jüngst die Anschläge auf deutsche Soldaten in Afghanistan. "Terror wird meist generell mit dem Islam in Verbindung gebracht", sagt Liljeberg im Gespräch mit sueddeutsche.de. Es werde zu wenig differenziert, auch von Seiten der Politik, kritisiert der Meinungsforscher. "Islam gleich Terror", lautet für viele Deutsche die einfache Formel.

Parteien wie "Pro NRW" haben es mit ihren populistischen Szenarien vom untergehenden Abendland immerhin in den einen oder anderen Stadtrat geschafft. Minarette sind für sie die Vorboten einer feindlichen Übernahme des Landes durch Muslime. Ihre geschürten Ängste sind vielen offenbar doch gar nicht so fremd: Laut INFO sehen 18 Prozent der Deutschen den Islam als Bedrohung für die deutsche Kultur an. Deutlich wird die Ablehnung besonders beim Thema Minarett. 52 Prozent lehnen den Bau weiterer Moscheetürme ab. Auch auf zusätzliche Moscheen würden 43 Prozent der Deutschen lieber verzichten.

Vorurteile und Skepsis: nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen Dialog zur Integration. Bis die Muslime gleichberechtigt in Deutschland leben können, werden vermutlich noch etliche Jahre vergehen. Das weiß auch de Maizière. Dennoch steht er genau jetzt vor der großen Aufgabe, die Islamkonferenz nicht zu einer Farce verkommen zu lassen. Wenn der Dialog schon vor dem Beginn scheitert, könnte die zweite zugleich auch die letzte Phase der Konferenz sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.942069
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/mati
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.