Süddeutsche Zeitung

Südasien:Islamisten machen Stimmung gegen Frankreich

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Fanatiker in Pakistan nutzen den Streit um die Mohammed-Karikaturen, um sich als Wächter über den Islam zu profilieren. Die Proteste stellen Premier Imran Khan auf eine schwere Probe.

Von Arne Perras, München

Islamisten in Pakistan haben ihren Zorn gegen Frankreich nun eine Woche lang auf die Straßen getragen. Die Regierung wirkte zunächst überrumpelt und gelähmt, bevor sie mit aller Härte durchgriff, um die Proteste zu ersticken. Hunderte Menschen wurden verletzt, nach offiziellen Angaben starben bei Einsätzen vier Polizisten. Kein Thema weckt in diesem Land so viele Emotionen wie Blasphemie-Vorwürfe und die umstrittenen Mohammed-Karikaturen, die das französische Satiremagazin Charlie Hebdo vergangenes Jahr erneut veröffentlicht hatte.

Am Sonntag spitzte sich die Lage erneut zu, nachdem sich der harte Kern der Demonstranten in einer Moschee in Lahore verschanzt hatten. 11 Polizisten, die sie dort als Geiseln genommen hatten, kamen inzwischen frei, wie die Regierung am Montagmorgen bestätigte.

Auch unter den Aufständischen soll es Tote geben, angeblich wollen die Islamisten sie erst begraben, wenn der Staat ihre Forderung erfüllt: Sie wollen erzwingen, dass der französische Botschafter aus Pakistan ausgewiesen wird. Das fordern sie als Strafe dafür, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Veröffentlichung der Karikaturen nicht unterbunden habe, sondern sie vielmehr als Ausdruck der Meinungsfreiheit betrachtet.

Schon im Herbst waren die Emotionen deshalb in Pakistan hochgegangen, nun fiel der Aufruhr noch breiter und wuchtiger aus, nachdem sich Islamabad am vergangenen Montag entschlossen hatte, Saad Rizvi, einen Anführer der Protestbewegung einzusperren.

Die Beleidigung des Propheten kann mit dem Tod bestraft werden

Das Feindbild hat sich unterdessen nicht verändert. Aller Zorn konzentriert sich auf Frankreich. In den Augen der Demonstranten hat sich Paris versündigt, weil es Beleidigungen des Propheten zulasse. Nach pakistanischem Recht kann das im schwersten Fall mit dem Tode bestraft werden.

Saad Rizvi führt die Partei Tehreek-e-Labiak TLP, bei Wahlen spielte sie bisher kaum eine Rolle, doch nach Einschätzung des Pakistan-Experten Jean-Luc Racine liegt deren Stärke in der Mobilisierung für Demonstrationen. "Sie können eine große Menge von Protestierenden auf die Straße bringen und tagelang Straßen blockieren", sagte Racine dem Sender France 24. Premier Khan ist damit nicht nur mit einer schweren innenpolitischen Krise konfrontiert. Der Aufruhr belastet auch die äußeren Beziehungen zu Frankreich und Europa.

Der Regierungschef muss aufpassen, nicht als Verräter des Islam gebrandmarkt zu werden

Für Khan ist das ein Dilemma, weil er einerseits Pakistan im Westen nicht isolieren möchte, andererseits aber auch aufpassen muss, im eigenen Land nicht als Verräter des Islam geächtet zu werden. So dürfte auch zu erklären sein, warum er auf Twitter nun von europäischen Staaten fordert, sie sollten Beleidigungen des Propheten unter Strafe stellen. Kritiker allerdings fürchten, dass er sich damit populistisch genau jenen Kräften annähert, die in dieser Woche Stimmung gegen Frankreich machten.

Im Herbst hatte der Regierungschef noch taktiert und auf Zeit gespielt, als die islamistische Partei TLP ihre Anhänger gegen Paris mobilisierte. Die Regierung verhandelte und stellte - zumindest nach Darstellung der TLP - einen Boykott französischer Produkte in Aussicht und sagte den Demonstranten zu, dass das Parlament über die Forderung, den französischen Botschafter auszuweisen, bis spätestens 20. April entscheiden werde.

Doch dann distanzierte sich Khan von der TLP, die Sache sei nicht geklärt, hieß es in Islamabad, und Anfang der Woche ließ die Regierung den Führer der Bewegung verhaften, was dessen Anhänger auf die Straßen trieb. Am Donnerstag wurde die TLP ganz verboten; und am Freitag blockierte der Staat den Zugang zu den sozialen Netzwerken, um ein erneutes Aufflammen der Proteste zu unterbinden.

Frankreich rät seinen Bürgern zur Ausreise

Frankreich forderte unterdessen seine Bürger in Pakistan auf, das Land aus Sicherheitsgründen zu verlassen, nach Recherchen der Nachrichtenagentur AFP zögerten am Wochenende allerdings viele Franzosen noch, dieser Empfehlung nachzukommen.

Die TLP baut ideologisch auf das Ziel, das drakonische Gesetz zur Blasphemie vor Reformen zu bewahren. Jeden Versuch, den Paragrafen auch nur minimal zu entschärfen, prangern TLP-Anhänger als angeblichen Verrat an der Religion an. Nur noch wenige Mutige in Pakistan wagen es überhaupt, Reformen ins Gespräch zu bringen. Sie müssen befürchten, von Radikalen gejagt und im schlimmsten Fall getötet zu werden.

Die Bewegung TLP profitiert zusätzlich von ihrem Versprechen, sich stärker als die Regierung um das Schicksal der Armen und Perspektivlosen zu kümmern. Ökonomisch hinkt Khan weit hinter seinen ehrgeizigen Wahlversprechen hinterher, die Enttäuschung nutzen oppositionelle Islamisten nun für ihre Ziele.

Die Proteste dieser Woche machen deutlich, dass sich die TLP als Speerspitze der Tugendwächter zu profilieren sucht. Populär wurde sie auch durch ihre aggressive Agitation im Fall der Christin Asia Bibi, der weltweit Aufmerksamkeit erregte. Die Justiz hatte sie nach langem Hin und Her vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen, dennoch forderten Islamisten ihren Tod. Der Staat musste sie an einem geheimen Ort versteckt halten, bevor es gelang, sie im Ausland in Sicherheit zu bringen.

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