Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen den Terror:Waffen reichen nicht

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Die Bundesregierung will den Militäreinsatz über Syrien und dem Irak verlängern. Das ist gut so - aber zu wenig. Deutschland muss sich bei der Sicherung des Friedens stärker engagieren.

Kommentar von Georg Mascolo

In diesem Herbst debattiert und entscheidet der Bundestag darüber, ob und wie ein Einsatz gegen den sogenannten Islamischen Staat fortgesetzt werden soll. Vier Tornados der Luftwaffe sind derzeit über Syrien und dem Irak im Einsatz, um Bilder zu liefern, die zeigen, wo sich IS-Kämpfer verstecken oder nach ihrer militärischen Niederlage neu zusammenfinden. Im Irak bildet die Bundeswehr Soldaten aus. Ende Oktober sollte das Mandat auslaufen.

Nach anfänglichem Zögern der SPD scheint nun eine Verlängerung wahrscheinlich, die große Koalition will die Tornados bis Ende März 2020 weiterfliegen lassen, die Ausbildung und die Teilnahme von Bundeswehrsoldaten an Awacs-Aufklärungsmissionen soll ein weiteres Jahr fortgeführt werden. Das ist eine gute und richtige Entscheidung. Der islamistische Terrorismus war eine Bedrohung, als 2015 die Entsendungen beschlossen wurden. Er ist es heute auch noch. Dies zu vergessen, wäre ebenso falsch, wie es falsch war, nicht früh genug gegen rechten Terrorismus vorzugehen.

Den Krieg zu gewinnen, kann einfacher sein, als den Frieden zu sichern

Ein Ärgernis ist dagegen, dass die politische Debatte darüber, was notwendig ist, um den Wiederaufstieg des IS zu verhindern, wieder einmal zeigt, wie sehr das Militärische überbetont wird - während andere, mindestens ebenso wichtige Faktoren kaum Beachtung finden. Etwa die humanitäre Hilfe: Ein von den Vereinten Nationen koordinierter Hilfsplan für den Irak ist gerade einmal zu 41 Prozent finanziert. Der humanitäre Hilfsplan für Syrien - hier geht es auch um die unter kurdischer Kontrolle stehenden befreiten IS-Gebiete - steht bei kläglichen 28 Prozent.

Mit diesem Geld soll der Wiederaufbau bezahlt werden, in Raqqa etwa, der ehemaligen Hauptstadt des nun zerfallenen Kalifats, oder in Mossul, einer einst unter IS-Herrschaft stehenden Stadt, größer als Hamburg. Eine Vertreterin von Amnesty International nannte Raqqa eine der meist zerstörten Städte der Neuzeit und verglich sie mit Dresden am Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese Orte der Apokalypse wieder bewohnbar zu machen, geht nur langsam voran, manchmal auch gar nicht.

Der Sieg über den IS war eine Priorität für die Weltgemeinschaft. Die Hilfe für die Menschen, die unter ihm zu leiden hatten, ist es nicht. Das ist gefährlich. Schon ist dort vielerorts zu hören: Ja, der IS war schlecht, aber immerhin gab es Strom und Wasser. Die schwierige Lage macht es den Terroristen leicht, neue Anhänger zu rekrutieren. Und sie warten nur darauf, ihre schwarzen Flaggen wieder zu hissen. Den Krieg zu gewinnen, kann einfacher sein, als den Frieden zu sichern.

Die Bundesregierung gehört zugegeben zu jenen Staaten, die dies erkannt haben. Sie überweist erhebliche Mittel und liegt damit hinter den USA an Platz zwei. Sie engagiert sich vor allem in jenen Gremien, die sich um die Stabilisierung kümmern. 1,7 Milliarden Euro flossen seit 2014 allein in den Irak. Manches Land, das bei den Verteidigungsausgaben brav auf die Zwei-Prozent-Vorgabe der Nato zusteuert, glänzt bei der humanitären Hilfe durch weitgehende Abwesenheit. Und doch könnte und sollte Berlin auf internationaler Ebene noch einmal mehr tun, um endlich die notwendigen Gelder einzutreiben.

In einem anderen und nicht weniger wichtigen Bereich duckt sich die Bundesregierung regelrecht weg, sie tut es in klammheimlicher Übereinstimmung mit vielen anderen Staaten. Es geht um die Frage, was mit den Tausenden europäischer IS-Anhängern geschehen soll, die in der Region in Haft oder in riesigen Flüchtlingslagern einsitzen. Niemand hat sie daran gehindert, zum Kämpfen und Morden in die Region zu ziehen. Nun wollen vor allem die Kurden, dass sie nach Hause geholt werden: Es drohten Ausbrüche und vor allem auch eine weitergehende Radikalisierung in den Lagern. So wachse die nächste Generation Terroristen heran.

Gerade hat US-Verteidigungsminister Mark Esper erklärt, die Situation sei "unhaltbar" und eine "Gefahr für die Region". US-Präsident Donald Trump hat Kanzlerin Angela Merkel zum Handeln aufgefordert, zuletzt auf offener Bühne während des G-7-Gipfels in Biarritz. Es ist eine schwierige Entscheidung, aber Bundesregierung und Bundestag sollten sich endlich ernsthaft mit dieser Frage beschäftigen. Auch die Trump-Regierung kann einmal recht haben.

Vier Bundeswehr-Tornados und eine Ausbildungsmission werden jedenfalls nicht genügen, um den IS dauerhaft zu besiegen. Wie immer, wenn es um Terrorismus geht, braucht es eine kluge und langfristige Strategie, zu der konsequente Rechtsstaatlichkeit, Strafverfolgung und humanitäre Hilfe gehören. Nicht nur Bomben. Diese Lektion ist eigentlich lange gelernt und wird doch immer noch ignoriert.

Wenn der Bundestag in diesem Herbst über die Verlängerung des Mandats diskutiert, sollte er es sich nicht zu leicht machen. Zu debattieren ist, was getan werden muss, um den IS dauerhaft niederzuhalten. Und ob Deutschland dafür bereits genug und das Richtige tut.

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SZ vom 09.09.2019
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