Süddeutsche Zeitung

Präsidentenwahl in Iran:Generäle gegen einen Diplomaten

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Bei der Präsidentenwahl in der Islamischen Republik könnten die Revolutionsgarden ihre große Macht noch ausbauen - es sei denn, Außenminister Sarif tritt doch für das moderate Lager an.

Von Paul-Anton Krüger, München

Irans Präsident Hassan Rohani scheidet im Sommer aus dem Amt. Er darf nach der Verfassung nicht mehr antreten bei der Wahl am 18. Juni, die als Richtungsentscheidung für die Islamische Republik gilt. Doch versucht er erkennbar Einfluss zu nehmen auf den Ausgang und das Kandidatenfeld. "Sicherlich ist die Aufgabe der Streitkräfte nicht nur militärischer Natur. Aber sie ist auch nicht, in die Politik einzusteigen", sagte der als moderater Konservativer geltende Politiker in einer Rede zum Tag der Armee in Teheran.

Der Rat des Regierungschefs, das Militär solle sich darauf beschränken, die Souveränität des Landes zu verteidigen, und der vom Volk gewählten Regierung dienen, ist eine wenig verhüllte Warnung. Davor, dass die Revolutionsgarden im Sommer das höchste Regierungsamt an sich reißen und damit die Richtung des Landes grundlegend ändern könnten. Alle der bislang als aussichtsreich gehandelten Kandidaten waren hochrangige Kommandeure der Eliteeinheit. Dagegen haben die Moderaten, Rohanis Lager also, ebenso wie die mit ihm verbündeten Reformer, bislang keinen Bewerber aufgestellt, der sich Siegeschancen ausrechnen könnte.

Außenpolitik ist Innenpolitik - selten traf dieses Diktum so zu, wie bei der bevorstehenden Wahl in Iran. Einer Öffnung des Landes stehen die Kandidaten aus den Reihen der Revolutionsgarden ebenso kritisch gegenüber wie dem Atomabkommen von 2015 und den Versuchen Rohanis, eine Rückkehr der USA in den Vertrag auszuhandeln. Gelingt ihm dies, müsste auch Iran sich wieder an strikte Beschränkungen für sein Atomprogramm halten. Vor allem aber lehnen die Männer aus den Revolutionsgarden kategorisch die von den Europäern und den USA angestrebten Verhandlungen über Irans Rolle in der Region oder sein Programm zum Bau ballistischer Raketen ab - beides steht unter Kontrolle der Garden.

Unterstützung aus dem Machtzentrum des Regimes kann Hossein Dehghan für sich beanspruchen. Der frühere Kommandeur der Luftwaffe der Revolutionsgarden im Rang eines Brigadegenerals war in der ersten Rohani-Regierung Verteidigungsminister. Derzeit dient er dem Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei als Militärberater und hat Rohani in dessen zweiter Amtszeit häufiger kritisiert.

Chamenei hat indirekt die Kontrolle, wer antreten darf

Zwar decken sich die Positionen der Revolutionsgarden häufiger mit jenen der Hardliner in Teheran, die seit der Wahl im Februar 2020 eine klare Mehrheit im Parlament stellen. Dehghan aber hat in den vergangenen Wochen seine Unabhängigkeit von allen politischen Lagern betont. Linientreu ist er dagegen gegenüber Chamenei; damit hat er gute Chancen, dass der Wächterrat seine Kandidatur zulässt.

Das zwölfköpfige Gremium besteht aus sechs Klerikern, die Chamenei benennt, und sechs Juristen, die das Parlament auf Vorschlag des Justizchefs wählt. Diesen setzt wiederum der Oberste Führer ein: Ebrahim Raisi - er verlor als Kandidat der Konservativen 2017 gegen Rohani. Chamenei hat damit indirekt die Kontrolle, wer überhaupt antreten darf. Bei der Parlamentswahl schloss der Rat so viele Bewerber aus dem moderaten und reformistischen Lager aus, dass eine Mehrheit der Ultrakonservativen feststand, bevor die Wahllokale öffneten.

Als Kandidat der jüngeren Generation präsentiert sich Saeed Mohammad, der kürzlich als Chef von Khatam al-Anbiya zurücktrat, der von den Revolutionsgarden kontrollierten Unternehmensgruppe. Zu ihr gehören Irans größtes Bauunternehmen, eine Fluggesellschaft, Ölfirmen und eine Reihe Rüstungsbetriebe. Der Ingenieur ist 1968 geboren und hat anders als viele seiner Konkurrenten nicht im Krieg gegen den Irak gekämpft. Er würde zweifellos die ohnehin große Macht des Militärs in der Wirtschaft weiter ausbauen.

Neben ihm werden auch Mohsen Rezai, von 1980 bis 1997 Kommandeur der Revolutionswächter, Chancen eingeräumt. Ebenso Mohammed Baqer Qalibaf, ein Vorgänger Mohammads, der als Bürgermeister von Teheran Karriere gemacht hat und jetzt Sprecher des Parlaments ist. Bei der Wahl 2017 musste er auf Druck Chameneis seine Bewerbung zurückziehen.

Sollte es Rohani und seinem Außenminister Mohammed Dschawad Sarif gelingen, bei den Atomverhandlungen in Wien eine Aufhebung der US-Sanktionen zu erreichen, könnte das von Konservativen dominierte Rennen um die Präsidentschaft eine Wende erfahren. Sarif hatte eine Kandidatur lange ausgeschlossen. Dass ihn die Konservativen sowohl als Person als auch seiner Politik wegen zum zentralen Wahlkampfthema gemacht hätten, vor allem die Atom-Verhandlungen, habe aber einen "Prozess des Umdenkens" ausgelöst. Erklärt hat sich Sarif offiziell noch nicht. Offen ist auch, ob der Wächterrat ihn zulassen würde. Dann allerdings würde die Präsidentenwahl zu einer Volksabstimmung über das Atomabkommen.

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