Interview mit Elizabeth Drew:"Es riecht nach Behinderung der Justiz"
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Was nach dem Rauswurf von FBI-Chef Comey zum Amtsenthebungsverfahren gegen Trump führen könnte, sagt Elizabeth Drew. Die brillante Chronistin der Watergate-Affäre zieht Parallelen zu Richard Nixon.
Interview von Matthias Kolb
Seit Donald Trump im Weißen Haus regiert, rückt auch Richard Nixon wieder stärker ins Blickfeld: Der Republikaner trat 1974 als Präsident zurück, um nicht des Amtes enthoben zu werden - könnten sich da Parallelen anbahnen? Als der Einbruch in die Parteizentrale der Demokraten im Watergate-Gebäude untersucht wurde, kam heraus, dass Nixon unter anderem seine Gespräche aufzeichnen ließ und sein Wahlkampf aus dubiosen Quellen finanziert worden war.
Elizabeth Drew, Jahrgang 1935, gilt als brillante Chronistin der Watergate-Affäre: Ihr "Washington Journal" ist das Tagebuch einer chaotischen Phase, in der das "Undenkbare denkbar" wird. Weil so vieles an die Jetztzeit erinnert, findet das Buch viele neue Leser. Drew berichtet seit 1959 über die Mächtigen der USA - früher für den New Yorker, nun für Politico und die New York Review of Books. Das Interview wurde direkt vor Trumps Rauswurf des FBI-Direktors James Comey geführt, die Fragen zu den aktuellsten Entwicklungen per E-Mail ergänzt.
Mrs. Drew, ist es sinnvoll, den Beginn von Trumps Präsidentschaft mit Watergate und den letzten Monaten von Richard Nixon im Weißen Haus zu vergleichen?
Nein, ich glaube nicht. Wir sind noch nicht so weit. Nixon war sechs Jahre Präsident, bevor er aus dem Amt getrieben wurde. Da hatte sich viel angesammelt. Das Land ist noch längst nicht bereit, das Gleiche mit Trump zu tun - und das ist beim momentanen Stand auch richtig so.
Bei Nixon gab es viele Beweise für gesetzwidriges Verhalten; für ein Amtsenthebungsverfahren muss keine Straftat begangen werden, es reicht Machtmissbrauch. 1974 waren schließlich auch die Republikaner überzeugt, dass Nixon zu weit gegangen war.
Nun hat Trump FBI-Chef James Comey gefeuert. Das FBI untersucht die Verbindungen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland. Ändert das Ihre Einschätzung der Lage?
Es ist hochproblematisch, dass der Präsident den Beamten entlässt, der Ermittlungen gegen ihn führt. Es wird eine Weile dauern, die Umstände zu klären, aber es riecht nach Behinderung der Justiz, was zum Impeachment führen könnte.
Nixon wurde genau das vorgeworfen. Das ist eine ernste Sache, und wahrscheinlich wird dieser Rauswurf dazu führen, dass sich irgendwann mehr Republikaner gegen Trump stellen werden. Bisher ist das nicht der Fall.
Erinnert dieses Vorgehen nicht an das "Saturday Night Massacre", als Nixon am 20. Oktober 1973 den Watergate-Sonderermittler Archibald Cox feuerte?
Nur bedingt. Die Lage war folgende: Nixon ließ viele Gespräche aufzeichnen, die er im Oval Office führte, und Archibald Cox befand sich in einem titanischen Kampf mit dem Weißen Haus, um diese Aufnahmen zu bekommen.
Der Begriff des Massakers entstand, weil Nixon einen Justizminister brauchte, um Cox zu entlassen. Zwei Männer traten aus Protest zurück; es dauerte also, bis Nixon einen gefügigen Spitzenbeamten fand. Wir wussten damals vorab, dass der Rauswurf im Raum stand, und wir hatten das Gefühl, dass der Präsident unkontrollierbar ist. Trump hat Comey selbst entlassen, und das kam völlig überraschend.
Aber natürlich werden Parallelen gezogen, denn Trump wollte Comey loswerden und wirkt ebenfalls unkontrollierbar. Ich würde sagen, dass Trump uns noch nicht so sehr Angst macht wie Nixon damals. Aber das kann ja noch kommen.
Trump versucht eindeutig zu verschleiern, welche wirtschaftlichen und politischen Beziehungen er zu Russland hat. Kann diese Strategie erfolgreich sein?
Ich bin skeptisch, dass ihm das glückt. Es gibt mindestens drei Untersuchungen im Kongress, und trotz Comeys Entlassung ermittelt die Bundespolizei weiter.
Selbst wenn Trump einen fügsamen FBI-Chef installiert, der die Untersuchung rigoros beenden will, werden die Agenten die bisherigen Ergebnisse ihrer Recherchen der Presse zuspielen. Ich zweifle nicht daran, dass die Trump-Regierung alles versuchen wird, die Ermittlungen zu behindern. Es wird ein langer Kampf werden.
Halten Sie es für denkbar, dass Trump seine Gespräche mit Comey aufgezeichnet hat, wie er in einem Tweet andeutete?
Momentan weiß das niemand. Offenbar hat er als Geschäftsmann Telefonate mitschneiden lassen. Wenn solche Aufnahmen existieren, könnte das sehr belastend sein, weil sie Beweise für Trumps Fehlverhalten liefern könnten. Die Demokraten versuchen alles, um sicherzustellen, dass Trump diese Aufnahmen nicht zerstört - Nixon bereute ja bis zum Lebensende, das nicht getan zu haben.
Womöglich gibt es einen ähnlich langen Kampf zwischen der Regierung einerseits und den Gerichten und dem Parlament andererseits, um das Material einzusehen. Nixon hat versucht, das grundlegende Prinzip der Gewaltenteilung auszuhebeln. Wenn Trump diesen Weg beschreitet, dann beginnen seine Probleme erst wirklich.
In Ihrem "Washington Journal" schreiben Sie Sätze wie: "Die Menschen werden immun gegen den Schock". Da denkt der heutige Leser sofort an die Trump-Ära.
Noch sind viele Leute täglich aufs Neue schockiert. Als wir Reporter endlich die Transkripte der Aufnahmen aus Nixons Büro in den Händen hielten, trauten wir unseren Augen nicht: Er sagte schreckliche Dinge über Schwarze und Juden, es war sehr vulgär. Aber man kann niemand des Amtes entheben, nur weil er ständig flucht. Noch während der Justizausschuss des Repräsentantenhauses darüber beriet, weshalb man ihn anklagen sollte, hatten viele Angst vor ihm.
Als jedoch die Aufnahme auftauchte, dass Nixon einen Mitarbeiter anwies, CIA und FBI dazu zu bringen, die Ermittlungen zu stoppen, war alles entschieden. Nixon trat zurück, als klar war, dass mehr als zwei Drittel der Senatoren bereit waren, ihn des Amtes zu entheben.
Die Republikaner versuchten 1998, Bill Clinton als Präsident abzusetzen.
Beim Verfahren gegen Clinton ging es um pure Machtpolitik. Allen war klar, dass seine Taten kein Impeachment rechtfertigten. Zurück zu Trump: Ich fand es sehr befremdlich, dass manche Demokraten schon vor der Vereidigung darüber redeten, wie sie das Amtsenthebungsverfahren starten können.
Es wäre ein Riesenfehler, das leichtfertig und ohne Unterstützung einiger Republikaner zu machen. Bei Nixon wurde das Verfahren nur akzeptiert, weil Abgeordnete beider Parteien kooperierten. Wenn es um die Verfassung geht, bin ich konservativ: Es geht hier um sehr ernste Dinge, damit spielt man nicht herum. Es gab schon vor Comeys Rauswurf Gruppen in Washington, die belastendes Material gegen Trump sammeln, um ihn des Amtes zu entheben.
Auf welcher Grundlage ?
Neben dem Russland-Komplex geht es um ethische Fragen. Nutzt er das Amt des Präsidenten, um sich zu bereichern oder den Geschäftsinteressen seiner Kinder zu helfen? Trump-Schwiegersohn Jared Kushner arbeitet wie seine Frau Ivanka im Weißen Haus, aber sie haben nicht genügend getan, um Interessenkonflikte auszuschließen.
Daneben geht es um die "Emoluments Clause", wonach Präsidenten keine Geschenke aus dem Ausland annehmen dürfen. Es mag weit hergeholt sein, aber ist es erlaubt, wenn eine Delegation aus dem Ausland in seinem Nobelhotel nahe dem Weißen Haus übernachtet?
Seltsam ist auch, dass Tochter Ivanka ihre Markenrechte für China genau bewilligt bekam, als Präsident Xi auf Staatsbesuch in den USA war. Ich weiß seit April, dass zwei Drittel der republikanischen Senatoren Trump gern los wären. Aber für die Amtsenthebung fehlt ihnen noch die Grundlage.
Gibt es jenseits des Impeachments noch eine andere Option?
Nachdem Ronald Reagan 1981 angeschossen wurde, wurde viel über den 25. Zusatzartikel der Verfassung diskutiert. Darin steht, was passiert, wenn dem Präsidenten etwas zustößt oder er aus körperlichen oder psychischen Gründen unfähig ist, das Amt auszuüben. Die Hürden sind hoch: Der Vizepräsident und Teile des Kabinetts müssen dies empfehlen, und der Kongress muss zustimmen. Um es offen zu sagen: Viele halten Trump für verrückt und mental ungeeignet, um US-Präsident zu sein. Er ist auch erstaunlich unpopulär: Nur 40 Prozent der Wähler unterstützen ihn. Aber unser System sieht nicht vor, einen Präsidenten abzusetzen, nur weil er die Erwartungen nicht erfüllt.
Sie gelten als große Kennerin des Parlaments, im "Washington Journal" schildern Sie, wie die Abgeordneten mit sich ringen. Läuft das heute ähnlich?
Es ist noch nicht so ernst wie damals, aber natürlich taktieren die Abgeordneten genauso. Sie treffen sich auf den Gängen oder im Fitnessstudio des Kongresses und reden dort. Ich weiß aus mehreren Quellen, dass konservative Senatoren schon im April Wetten abgeschlossen haben, was Trump das Amt kosten wird.
Es geht nicht um das Ob, sondern ums Wie. Noch traut sich keiner aus der Deckung, und diese Dynamiken sind schwer durchschaubar.
Aber Trump denkt gar nicht daran, sich näher mit den Abläufen des Kongresses zu beschäftigen.
Um es offen zu sagen: Er ist ein Showman und besessen vom Gewinnen. Deswegen wurmt es ihn so, dass Hillary Clinton drei Millionen Stimmen mehr bekommen hat als er.
Vor Kurzem hat er der Washington Post ein Interview gegeben, und auf dem Tisch lag eine bunte Karte mit den Bundesstaaten, die er im Wahlmännergremium gewonnen hat. Er sagte den Reportern: "Nehmt die Karte und druckt sie auf der Titelseite." Die Wahl ist ein halbes Jahr her, aber er kann nicht loslassen.
Auch Landwirtschaftsminister Sonny Perdue brachte Trump eine Karte mit. Er wollte zeigen, dass beim Ausstieg aus dem Nafta-Abkommen vor allem Bundesstaaten leiden, in denen Republikaner regieren. Man denkt sich: "Er ist US-Präsident, er sollte das wissen."
Er weiß gar nichts, weder wie man regiert, noch welche Themen wichtig sind. Alles ist learning on the job. Auch als Unternehmer war er es nicht gewöhnt, mit Kritik umzugehen: Die Trump Organization hat ja keine Aktionäre - sie bestand aus ihm und seiner Familie. Im Weißen Haus brüllt er offenbar jeden an, der schlechte Nachrichten überbringt. Oft wird dann Schwiegersohn Jared vorgeschickt, weil er den nicht feuern kann.
Er wirkt einsam, vielleicht wird es besser, wenn Mrs. Trump im Sommer nach Washington zieht. Sein Verständnis von Regierungsarbeit ist primitiv, und ich denke, dass er Putin und Erdoğan bewundert, weil die in ihren Ländern so viel durchsetzen.
Sie berichten seit 1959 über die US-Politik und die Präsidenten. Hat es etwas Ähnliches wie Trump je gegeben?
Nein, höchstens Reagan. Aber der war ein Schauspieler, und die Reden, die andere für ihn schrieben, konnte er sehr gut rüberbringen. Trump hasst es, etwas zu lesen. Er bekommt die Briefings der Geheimdienste, aber er nimmt Informationen so nicht auf.
Mir hat ein Reagan-Mitarbeiter mal erzählt, dass er den Präsidenten über den "Krieg gegen die Drogen" informierte, indem er den Sachverhalt wie einen Kinofilm schilderte. Trumps Leute wissen, dass er Bilder mag, also malen sie ihm Dinge auf. Das ist wirklich alarmierend. Ich glaube zwar nicht, dass er plötzlich aus Frust alles hinschmeißt, aber ich würde keine Wette abschließen.
Richard Nixon wurde auch immer paranoider, witterte überall Verschwörungen und umgab sich mit Jasagern. Dennoch klingen die Berichte über ihn anders als jene über Trump.
Nixon war ein sehr kluger Mann, der hart arbeitete und viel las. Okay, er hat sich dabei etwas zu häufig betrunken, aber er konnte strategisch denken und kannte als Ex-Senator den Politbetrieb. Heute müssen wir uns darauf verlassen, dass die Generäle in Trumps Umgebung ihn davon abhalten, aus Impulsivität etwas Dummes oder Gefährliches zu tun.
Was sagen Sie Kollegen, die um Rat bitten, wie man am besten über Trumps Regierung berichtet?
Seid geduldig! Berichtet über das, was geschieht, aber versucht nicht, es zu beeinflussen. Auch meinen Freunden rate ich, auf wichtige Republikaner zu achten. Mitch McConnell, der mächtigste Konservative im Senat, ist schlau und verschwiegen. Ich glaube, dass er einen Plan hat, wie er mit Trump umgehen will. McConnell hat die Forderung, nach Comeys Entlassung einen Sonderermittler einzusetzen, klar abgelehnt.
Sollte er jedoch Trump öffentlich kritisieren, dann hat Trump ein echtes Problem. Aber ich kann es nicht oft genug betonen: Nur weil man einen Präsidenten nicht mag, darf man ihn nicht aus dem Amt drängen. So funktioniert das nicht, und es sollte auch nicht so funktionieren. Wenn sich Demokraten und Republikaner nicht zusammentun, wird ein Impeachment nicht erfolgreich sein. Sondern es wird das Land zerreißen.
2014, 40 Jahre nach Nixons Rücktritt, veröffentlichte der Verlag Overlook Press eine Neuauflage des "Washington Journal". Das Taschenbuch ist unter anderem über Amazon erhältlich.