Süddeutsche Zeitung

Neonazi-Gruppierung:Bundesinnenministerium verbietet rechtsextreme Gruppe Combat 18

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die rechtsextreme Gruppe Combat 18 verboten. Das teilte der Sprecher des Ministeriums, Steve Alter, am Donnerstag mit. Ihm zufolge laufen seit dem frühen Morgen polizeiliche Maßnahmen in sechs Bundesländern.

Dass es Durchsuchungen in Thüringen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gab, haben die Behörden der Länder am Morgen bestätigt. Dem Spiegel zufolge durchsuchte die Polizei zudem Häuser in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern. Combat 18 richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und sei mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt, zitierte das Nachrichtenmagazin aus der Verbotsverfügung.

Bei den Durchsuchungen hat die Polizei nach Angaben des Bundesinnenministeriums "waffenrechtlich relevante Gegenstände" beschlagnahmt. Wie das Ministerium weiter mitteilte, nahmen die 210 Beamten, die am Donnerstag an dem Einsatz in sechs Bundesländern beteiligt waren, auch Mobiltelefone, Laptops, Datenträger, Tonträger, Kleidung, NS-Devotionalien und Propagandamittel mit. Stanley R., der als wichtige Figur in der Szene gilt, wurde von der Polizei an seinem Arbeitsplatz angetroffen und zu seiner Wohnung gebracht, die durchsucht wurde. Zunächst hatte die dpa gemeldet, R. sei festgenommen worden.

Die gewaltbereite rechtsextreme Gruppierung bezeichnet sich selbst als "bewaffneten Arm" des seit 2000 in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour" ("Blut und Ehre"). Sie hat ihren Ursprung in Großbritannien und ist in mehreren europäischen Ländern aktiv. Die Ziffer "18" ist ein Szenecode für den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet, also A und H - die Initialen von Adolf Hitler. Symbol der Gruppe, die sich auf einen "Rassenkrieg" vorbereitet, ist der Drache. Neonazis, die sich "Combat 18" zugehörig fühlen, tragen häufig schwarze T-Shirts oder Jacken mit der Aufschrift "C 18". Diese Symbole und Abkürzungen dürfen nach dem Verbot nicht mehr verwendet werden. Das gilt auch für das Motto der Gruppe: "Brüder schweigen - whatever it takes". Gegen die Verbotsverfügung kann die Gruppe binnen eines Monats Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einreichen.

Rufe nach einem Verbot von Combat 18 gibt es schon lange. Auf ihrer Rückfahrt von einem gemeinsamen Schießtraining in Tschechien im September 2017 wurden mutmaßliche Mitglieder einer Sektion von Combat 18 an der deutschen Grenze von der Spezialeinheit GSG 9 gestoppt. Die Bundespolizisten fanden Munition bei ihnen - der Fall landete schließlich vor Gericht. Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Anfang Juni 2019 kündigte Seehofer an, Verbote von rechtsextremen Gruppierungen zu prüfen, darunter Combat 18. Im Sommer 2019 gingen bei mehreren Moscheen in Deutschland sowie bei der Linken-Parteizentrale in Berlin Bombendrohungen ein, unterzeichnet waren sie mit Combat 18. Im September verliehen drei Bundesländer der Forderung nach einem Verbot Nachdruck.

Was ein Verbotsverfahren in den vergangenen Jahren erschwert hatte, ist das von Combat 18 propagierte Konzept des "führerlosen Widerstands" weitgehend autonomer Zellen - auch wenn die Gruppen vernetzt und nach festgelegten gemeinsamen Richtlinien handeln. Geldquelle und Gelegenheit zum Kontakt sind Rechtsrock-Konzerte.

Nach Auffassung der Innenexpertin der Linkspartei, Martina Renner, ist das Verbot lediglich ein "symbolischer Schlag gegen die rechte Szene". "Mehr nicht", schrieb die Bundestagsabgeordnete und Vizeparteivorsitzende auf Twitter. Das Verbot habe sich über mehr als ein halbes Jahr abgezeichnet. "Genug Zeit für die militante Neonazi-Gruppierung, Waffen, Finanzunterlagen beiseitezuschaffen und Kommunikation zu löschen." Auch aus Sicht der Grünen-Politikerin Irene Mihalic kommt das Verbot viel zu spät. "Endlich trägt man der Gefährlichkeit von Combat 18 Rechnung und beendet die jahrelange Verharmlosung", sagte die Bundestagsabgeordnete der dpa. Es sei nun wichtig, alle Informationen zur Vernetzung von Combat 18 mit anderen wesentlichen Akteuren der rechten Szene aufzubereiten. Der Innenexperte der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, nannte den Schritt "lange, lange überfällig". "Und es bleibt ein Rätsel, warum er nicht vor vielen Jahren erfolgte", schrieb der Vizefraktionschef bei Twitter. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kommentierte, die SPD habe seit geraumer Zeit ein Verbot der rechtsextremen Gruppierung gefordert. "Ich bin froh, dass Innenminister Seehofer nun konsequent gegen die rechtsextreme Gruppe vorgeht." In Zeiten, in denen rechte Hetzer und Gewalttäter Menschen in Deutschland bedrohten oder sogar ermordeten, brauche es "einen starken Staat, der klare Grenzen aufzeigt und Rechtsextremen keine Spielräume lässt".

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