Süddeutsche Zeitung

Hamburg:"Die Stadt als Beute"

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Hamburgs Finanzsenator will mit der Vergabe eines bestimmten Auftrags Innovationen boostern, sagt er. Kritiker wittern hingegen wieder den roten Filz in der Hansestadt.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Man werde "manches schieben und strecken müssen", sagte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) gerade dem NDR. Die Pandemie ist teuer, auch in der Hansestadt. Doch einem Hamburger Unternehmen hat die Finanzbehörde ein interessantes Geschäft besorgt, wie dieser Tage bekannt wurde: Die Plattform Next Media Accelerator, kurz NMA, bekommt neun Millionen Euro, um Start-ups aus der Finanzbranche an Alster und Elbe zu holen. Die Opposition allerdings wundert sich, wie und an wen dieser Auftrag vergeben wurde.

Einer der beiden Manager dieses sogenannten Accelerators, also Beschleunigers, ist Nico Lumma. Der Digitalexperte gehört zur medien- und netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstandes und kennt offenbar den Finanzsenator Dressel recht gut, beide sitzen auch im Verwaltungsrat der Kasse Hamburg. Auf eine europaweite Ausschreibung, wie sie bei Aufträgen dieser Größenordnung eigentlich vorgesehen ist, verzichtete die Hamburger Finanzbehörde von SPD-Mann Dressel zugunsten dieser Firma NMA.

Warum? "Nach einer intensiven Markterkundung" sei festgestellt worden, "dass die zwingenden Kriterien" der Stadt "nicht durch potentielle andere Betreiber-Kandidaten erfüllt werden", erklärte die Stadt in einer "freiwilligen Ex-ante-Transparenzbekanntmachung", so nennt sich das.

Auch argumentiert die Finanzbehörde laut Hamburger Medien damit, dass es eilig gewesen sei, weil die Fördermittel sonst verfallen wären. "Wer einen kräftigen Neustart nach Corona will", so Dressel im Hamburger Abendblatt, "sollte nicht nur beim Impfen boostern, sondern auch bei Innovationen." Kritiker dagegen wittern roten Filz.

Start-up-Förderung nach Parteibuch?

Zeitdruck dürfe kein Grund dafür sein, "mehrere Millionen ohne Überprüfung und dann auch noch zufälligerweise an einen guten SPD-Parteigenossen zu vergeben", so der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering. "Die Stadt als Beute, dafür ist die SPD in Hamburg seit Jahrzehnten bekannt." Dass sich Anbieter übergangen fühlten, "die kein SPD-Parteibuch besitzen, zeigt, dass an dem Vorgang etwas faul ist". Auch die Linken in der Bürgerschaft wollen wissen, wie das Verfahren abgelaufen ist. Der Verdacht der Begünstigung stehe im Raum.

Mit dem Verdacht der Begünstigung kämpft die Finanzbehörde bereits in der Steueraffäre um die Hamburger Privatbank Warburg. Dem Finanzhaus waren 2016 zunächst mutmaßliche Steuerschulden in Höhe von 47 Millionen Euro erlassen worden, weitere 43 Millionen wurden 2017 auf Erlass des Bundesfinanzministeriums eingetrieben. Der Untersuchungsausschuss Cum-Ex in Hamburgs Bürgerschaft prüft die Sache, der frühere Bürgermeister Olaf Scholz und sein damaliger Finanzsenator Peter Tschentscher streiten politische Einflussnahme ab. Nun geht es also außerdem um den Nachfolger des heutigen Bürgermeisters Tschentscher, den Finanzsenator Dressel.

Der rot-grüne Senat weist die Vorwürfe bei der Vergabe an NMA zurück. Es habe ein ordentliches Vergabeverfahren gegeben, "mit EU-weiter Bekanntmachung und Widerspruchsmöglichkeit". Es sieht jedoch so aus, als hätte es auch am Finanzstandort Hamburg durchaus Alternativen für die Auserwählten gegeben. Nico Lumma wird von der Hamburger Morgenpost so zitiert: "Ich würde mir nicht anmaßen, ein Fintech-Experte zu sein."

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