Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Höchste Zeit: EU redet Tacheles mit den Briten

Die Brexit-Kampagne hat in Großbritannien schlimme Metastasen gebildet. Die Austritt-Freunde sollten in ihrer Hybris nicht glauben, die EU noch ein paar Jahre am Gängelband herumführen zu können.

Kommentar von Stefan Kornelius

In einer Woche treffen die Briten die schicksalhafte Entscheidung über ihr Verhältnis zur EU. Da ist es mehr als recht, dass auch die EU über ihr schicksalhaftes Verhältnis zu Großbritannien nachdenkt und eine klare Botschaft aussendet: Ehe ihr Briten den Porzellanladen völlig zertrampelt, können wir euch auch vor die Tür setzen. Dieses Selbstbewusstsein hätte die Kommission durchaus schon früher demonstrieren dürfen.

Die Brexit-Kampagne hat in Großbritannien tatsächlich die schlimmsten Metastasen gebildet. Die Financial Times spricht vom "Projekt Lüge", die Fantastereien des Austritt-Lagers sind kaum noch zu steigern, die hybride Kriegsführung Russlands war ein Akt der Transparenz verglichen mit den Schauermärchen, die Boris Johnson dem Land aufzwingt. Es verwundert also nicht, dass das Stimmungspendel Richtung Austritt schwingt und die Exit-Freunde in ihrer Hybris glauben, die EU noch ein paar Jahre am Gängelband herumführen zu können.

Natürlich mahnt die politische Klugheit zur Gelassenheit; selbst nach einem Austritt werden Großbritannien und die EU einen kommoden Umgang miteinander finden. Selbstachtung und Selbstbewusstsein zwingen die EU aber auch, nicht jede Tollheit aus London hinzunehmen. Das Brexit-Virus kann nämlich schnell auf manche angeschlagenen Staaten auf dem Kontinent übergreifen. Noch ist Zeit für eine Immunisierung.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2016
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