Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Kampf gegen den IS: Corbyn schmiedet Widerstand gegen Cameron

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Von Christian Zaschke, London

Es wird die längste Debatte des Jahres, zu der sich die britischen Parlamentarier an diesem Mittwoch zusammenfinden. Ab 11.30 Uhr wird das Unterhaus voll besetzt sein, alle ursprünglich für diesen Tag geplanten Debatten wurden abgesagt, und auch die wöchentliche Fragestunde des Premierministers wird nicht wie sonst mittwochs stattfinden.

Bis 22 Uhr werden die Abgeordneten darüber debattieren, ob sich Großbritannien an Luftschlägen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien beteiligen soll. Anschließend wird abgestimmt. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass sich eine deutliche Mehrheit für die Intervention ausspricht.

Am Montag hatte Oppositionschef Jeremy Corbyn sich dazu entschlossen, in der Frage keinen Fraktionszwang auszusprechen und den Labour-Abgeordneten eine freie Wahl zu erlauben. Damit war im Grundsatz klar, dass Premierminister David Cameron die nötige Mehrheit für seine Pläne erreichen würde.

Denn anders als ihr Parteichef befürworten einige Dutzend Labour-Abgeordnete die Luftschläge gegen den IS. Corbyn hatte den Premier gebeten, in der kommenden Woche eine zweitägige Debatte anzusetzen. Dieser Bitte entsprach Cameron nicht.

Am Dienstagmorgen rief er das Kabinett zusammen, das beschloss, an diesem Mittwoch zu debattieren und abzustimmen. Sollte es wie erwartet eine Mehrheit für die Intervention geben, könnten die Luftschläge in Syrien noch in dieser Woche beginnen. Ausgeführt würden sie vom britischen Luftwaffenstützpunkt auf Zypern aus, wo insgesamt 16 Kampfjets stationiert sein werden.

Cameron sieht direkte Bedrohung durch IS

Bereits im Jahr 2013 hatte das Parlament über Luftschläge in Syrien abgestimmt. Damals ging es allerdings um Angriffe auf das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Cameron hatte seinerzeit keinen Zweifel daran gelassen, dass er diesen Eingriff wollte. Er hatte gedroht, er hatte gebeten, er war Kompromisse eingegangen, am Ende hatte er fast flehentlich an die Parlamentarier appelliert, ihm in dieser Sache zu folgen. Doch das taten sie nicht.

In einer ebenfalls viele Stunden währenden Debatte musste Cameron einsehen, dass er mit seinem Anliegen nicht durchkommen würde. Es war seine größte Niederlage als Premier, und sie wirkt bis heute nach. Diesmal hat Cameron die Abstimmung deshalb viel besser vorbereitet, und nachdem klar war, dass die Abgeordneten der Labour-Partei keinem Fraktionszwang unterliegen würden, handelte er schnell.

Cameron wird die Debatte an diesem Mittwoch eröffnen und darlegen, dass der IS eine direkte Bedrohung für das Vereinigte Königreich darstelle. Luftangriffe in Syrien könnten dazu beitragen, diese Gefahr einzudämmen. Das habe das Beispiel Irak gezeigt, wo die Briten bereits an Luftschlägen beteiligt sind. Es sei überdies unlogisch, den "Islamischen Staat" im Irak anzugreifen und in Syrien nicht.

Als rechtliche Grundlage für die Angriffe dient den Briten eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, in der es heißt, die Mitgliedstaaten sollten "alle nötigen Maßnahmen" ergreifen, um Terrorangriffe des IS zu unterbinden. Außerdem argumentiert Cameron, Großbritannien müsse seinen Verbündeten beistehen, besonders Frankreich.

Labour-Chef Corbyn befürchtet tote Zivilisten

Nach Camerons Eröffnung wird Jeremy Corbyn erläutern, warum er gegen die Luftschläge ist. Neben prinzipiellen Erwägungen befürchtet der Labour-Chef, dass es durch die Angriffe unweigerlich Tote in der Zivilbevölkerung geben wird. Zudem lasse das Land sich ohne klaren Plan auf einen Krieg ein, dessen Ende und dessen Folgen unabsehbar seien.

Corbyn hofft, diejenigen in seiner Partei überzeugen zu können, die eine Intervention in Syrien befürworten. Zu denen gehören prominente Mitglieder des Schattenkabinetts, darunter Schatten-Außenminister Hilary Benn, der die vorletzte Rede des Abends halten und für die Angriffe plädieren wird.

Das Schlusswort am Ende dieses längsten parlamentarischen Tages liegt bei Außenminister Philip Hammond, der noch einmal die Argumente der Regierung zusammenfasst

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SZ vom 02.12.2015
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