Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Das britische Parlament düpiert Theresa May

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Von Björn Finke, London

Die britische Premierministerin Theresa May hat am Vorabend des wichtigen EU-Gipfels eine schmerzhafte Niederlage im Parlament erlitten. Am Mittwochabend stimmte die Mehrheit der Abgeordneten in London gegen den Willen der Regierung für Änderungen im EU-Austrittsgesetz. Die Parlamentarier setzten durch, dass sie am Ende über das Brexit-Abkommen abstimmen dürfen, das London und Brüssel im kommenden Jahr aushandeln. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Parlament den Austritt des Königreichs im März 2019 verhindern kann.

Sollten die Abgeordneten gegen die Verhandlungsergebnisse votieren, würde Großbritannien trotzdem die EU verlassen, im Zweifel wäre es aber ein ungeordneter Austritt. Eine ganze Reihe von nationalen Parlamenten - und auch das Europa-Parlament - werden dem Austrittsabkommen zustimmen müssen.

Die Niederlage zeigt, wie schwach Mays Position ist

Beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag werden die Staats- und Regierungschefs verkünden, dass bei den ersten Brexit-Streitpunkten ausreichend Fortschritte gemacht wurden. Darum darf EU-Unterhändler Michel Barnier im neuen Jahr mit Großbritannien über Übergangsregeln und Grundzüge eines Freihandelsabkommens sprechen. Der Franzose will den Austrittsvertrag bis Oktober fertig verhandelt haben, damit bis März 2019 noch genug Zeit für Abstimmungen in den Parlamenten bleibt.

Die britische Regierung hatte ihrem Parlament versprochen, vor dem Brexit-Termin über die Austrittsvereinbarungen abstimmen zu dürfen. Allerdings lehnte die Regierung es ab, das Versprechen in Gesetzesform zu gießen. Minister argumentierten, London geriete dann unter enormen Zeitdruck, sollten sich die Gespräche mit Barnier länger als erwartet hinziehen.

Doch am Mittwoch unterstützte ein Dutzend Abgeordnete der regierenden Konservativen Partei die Opposition, sodass der entsprechende Änderungsantrag mit 309 zu 305 Stimmen akzeptiert wurde. Nun muss die Regierung die Abstimmung im Austrittsgesetz garantieren.

Jenes Austrittsgesetz schafft die Grundlagen dafür, die Geltung von EU-Recht in Großbritannien zu beenden. Gleichzeitig sollen mit Hilfe des Gesetzes alle Brüsseler Vorschriften in nationales Recht übertragen werden, damit beim Austritt kein Chaos entsteht. Parlamentarier haben Hunderte Änderungsanträge gestellt, aber bis Mittwochabend ist keiner erfolgreich gewesen. Diese Niederlage der Regierung zeigt, wie schwach die Position von Premierministerin May ist.

Ihre Konservative Partei hat seit dem desolaten Ergebnis der vorgezogenen Wahlen im Juni keine Mehrheit im Parlament. May ist darum auf die Unterstützung der nordirischen Regionalpartei DUP angewiesen. Mays Lage erschwert noch weiter, dass ihre Fraktion und das Kabinett beim Thema Brexit zerstritten sind. Austritts-Enthusiasten und EU-Freunde befehden sich. Nach der Niederlage am Mittwochabend warfen Vertreter des Brexit-Lagers den Unterstützern des Änderungsantrags vor, diese wollten den Austritt stoppen und der Regierung die Hände binden.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2017
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