Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Cambridge Analytica soll indirekt das Brexit-Votum beeinflusst haben

Lesezeit: 2 min

Von Cathrin Kahlweit, London

Der Skandal um die Firma Cambridge Analytica (CA), die ohne Erlaubnis Millionen Daten von Facebook-Usern ausgewertet und eine Methode entwickelt hat, mit der sich gezielt Botschaften an Wähler in den USA schicken lassen, erreicht nun auch die britische Regierung. Denn derzeit mehren sich Hinweise, dass die "Vote Leave"-Kampagne für den Brexit, als deren Köpfe der jetzige Außenminister Boris Johnson und der amtierende Umweltminister Michael Gove galten, auf Umwegen die Arbeit von CA bezahlt und dabei Gesetze gebrochen haben könnte.

Vor dem Referendum 2016 hatte die Vote-Leave-Gruppe massiv Werbung für den EU-Austritt gemacht und dafür Spendengelder in Höhe von mehr sieben Millionen Euro erhalten; damit war das gesetzlich erlaubte Spendenlimit erreicht. Vor wenigen Tagen, als der Skandal um CA und Facebook einen ersten Höhepunkt erreichte, ging nun der Whistleblower Shahmir Sanni an die Öffentlichkeit. Er arbeitete damals für BeLeave, eine mit Vote Leave eng kooperierende Jugendorganisation. Sanni machte Angaben, welche die heutigen Minister schwer in die Bredouille bringen und einem Mitarbeiter von Theresa May die Kündigung bescheren könnten.

Die staatliche Wahlkommission hat Ermittlungen aufgenommen

Während der Referendums-Kampagne, so Sanni, habe BeLeave von Vote Leave eine Spende über etwa 650 000 Euro bekommen. Das Geld sei dann an eine kanadische Firma für Datenanalysen weitergeleitet worden, die vorwiegend für CA gearbeitet habe. Was kompliziert klingt, könnte auf einfache Weise irregulär sein: Laut britischen Gesetzen hätte Vote Leave diese Spende nicht an BeLeave weiterleiten dürfen, zumindest nicht, wenn diese nur formal unabhängig, in Wahrheit aber ein Ableger der Haupt-Kampagne war.

Beide Gruppen müssten, da sie nach Angaben des Whistleblowers eine Bürogemeinschaft waren, ihr Spendenaufkommen gemeinsam ausweisen. Hätten sie das getan, hätte Vote Leave über dem Spendenlimit gelegen. Sanni sagt auch, Vote Leave habe die Beweise für die Zusammenarbeit getilgt, was illegal wäre. Die staatliche Wahlkommission hat Ermittlungen aufgenommen.

Aber das ist nur ein Teil der Nachrichten, die derzeit in London für Unruhe sorgen. Denn offenbar ging die BeLeave-Spende direkt an die Firma AggregateIQ (AIQ), die wiederum CA zuarbeitete. Der Direktor der Vote-Leave-Kampagne, Dominic Cummings, stellte nach dem Sieg des Brexit-Lagers auf der AIQ-Webseite fest, die kanadische Firma habe großen Anteil daran gehabt - offenbar als Partner von CA. Das hat Spekulationen über eine Manipulation der Brexit-Kampagne jetzt erneut angeheizt.

Zudem hat Stephen Parkinson, politischer Berater der Premierministerin und Ex-Freund des Whistleblowers Shahmir Sanni, diesen am Wochenende als homosexuell geoutet. Sanni, der aus Pakistan stammt, bezeichnet das als "Vendetta"; Downing Street wolle von den Vorwürfen gegen Vote Leave ablenken. Der Druck auf May, Parkinson zu entlassen, wächst seither. Johnson und die Organisatoren der Brexit-Kampagne dementieren derweil alle Vorwürfe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3921708
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.