Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Der Traum von Europas Kalifornien

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Athen hat ambitionierte Pläne für den Einsatz der Corona-Hilfen vorgelegt. Es geht um bis zu 30 Milliarden Euro. Brüssel ist angetan vom Zukunftsprojekt "Greece 2.0".

Von Tobias Zick, München

Aus Brüssel kam umgehend eine wohlwollende Rückmeldung. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, twitterte am Mittwoch nur Positives über den nationalen Aufbau- und Resilienzplan, den die griechische Regierung eben nach Brüssel übermittelt hatte: "Gut zu sehen, dass er sich auf strategisch wichtige Bereiche für die Zukunft des Landes konzentriert", so die EU-Kommissionschefin, "grün und digital, Jobs, Qualifikationen, private Investitionen und Reformen". Wenn der Antrag die Prüfung bestehe, könne das Land mit bis zu 30,5 Milliarden Euro rechnen, im Rahmen des Aufbauprogramms "NextGenerationEU".

Insgesamt 672,5 Milliarden Euro will die Europäische Union bereitstellen, damit die wirtschaftlichen Schäden durch die Covid-Pandemie nicht nur gelindert werden - sondern damit ihre Mitgliedstaaten auch gestärkt und zukunftsfest aus der Krise hervorgehen können.

Athen hat aus dem Fonds 17,8 Milliarden Euro Zuschüsse beantragt und 12,7 Milliarden Euro zinsgünstige Darlehen. Für Griechenland ist das Programm besonders wichtig. Von der Euro- und Staatsschuldenkrise hatte es sich nach zehn Jahren gerade erst leidlich erholt, da kam im vergangenen Jahr das nächste Unheil: die Corona-Pandemie und der daraus folgende Einbruch des Tourismus weltweit. Zwar hat Athen die erste Welle im Frühjahr 2020 von vornherein viel flacher gehalten als andere europäische Länder - etwa durch einen frühen, umfassenden Lockdown und Reisebeschränkungen.

Es half, dass Wirtschaftsnobelpreisträger Pissarides schon einen Plan entwickelt hatte

Dennoch brachen die Buchungen ausländischer Gäste im Sommer massiv ein - ein schwerer Schlag für das Land, dessen Bruttoinlandsprodukt zu mehr als einem Fünftel vom Tourismus abhängt. Auch mindestens jeder fünfte Job ist an den Sektor gekoppelt, auf manchen Inseln ist der Anteil noch viel höher. Im Jahr 2020 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um fast zehn Prozent.

Derzeit unternimmt die Regierung vieles, um in diesem Sommer bei den Reisebuchungen wenigstens wieder auf 50 Prozent des Niveaus von 2019 zu kommen: durch beschleunigtes Impfen, verschärfte Reisebeschränkungen innerhalb des Landes, die in dieser Woche verhindern sollen, dass das orthodoxe Osterfest zum landesweiten Superspreading-Ereignis wird, so kurz vor dem Start der Tourismussaison im Mai. Doch selbst wenn die Hoffnungen sich erfüllen, kann das Land Unterstützung von außen weiter dringend gebrauchen. Das Gesundheitssystem etwa, das wurde in der Pandemie besonders schmerzhaft deutlich, ist noch immer stark gebeutelt von den harten Sparmaßnahmen der vorherigen Jahre.

Dass es eines umfassenden Plans bedarf, um dem krisengeschüttelten Land nachhaltig auf die Beine zu helfen, wusste die Regierung bereits bei ihrem Amtsantritt im Juli 2019 und beauftragte den aus Zypern stammenden Wirtschaftsnobelpreisträger Christopher Pissarides damit, einen Plan für mehr Innovationen, Arbeitsplätze und Produktivität auszuarbeiten. Darauf konnte das Expertengremium jetzt aufbauen, als es seinen Plan für die Verwendung der beantragten EU-Aufbaugelder ausarbeitete. Die Ziele sind unverblümt ambitioniert: Griechenland solle zum "Kalifornien Europas" werden, so hat es Pissarides formuliert.

4104 Seiten dick ist die gebundene Ausgabe des nationalen Aufbau- und Resilienzplans, Titel "Greece 2.0", die der zuständige Vizefinanzminister Theodoros Skylakakis am Mittwoch in der Athener Vertretung der EU-Kommission übergab. 106 Investitions- und 67 Reformpläne sind darin aufgeführt. Ein Schwerpunkt ist, neben der Digitalisierung, der grüne Umbau der Wirtschaft. Wohnhäuser und öffentliche Gebäude sollen energieeffizient renoviert, Ladesäulen für Elektroautos gebaut, Wälder aufgeforstet, Biodiversität geschützt werden. Zudem will sich das Land in der Energieversorgung unabhängig von der im Norden geförderten Braunkohle machen.

Kampf gegen Steuerflucht steht auch im Programm

Neben der wirtschaftlichen soll auch eine "gesellschaftliche Transformation" des Landes vorangetrieben werden. So will die Regierung Steuerflucht entschlossener bekämpfen und Antidiskriminierungsprogramme auflegen. Und die Generation der unter 30-Jährigen, die von den Folgen der Pandemie besonders hart getroffen ist, soll zusätzlich unterstützt werden, mit Job- und Ausbildungsprogrammen, aber auch mit Zuschüssen für den Kauf von Computern.

In einem Gespräch mit der SZ sagte Premier Kyriakos Mitsotakis kürzlich, der Corona-Wiederaufbaufonds der EU biete eine "Chance, wie sie nur einmal in einer Generation vorkommt".

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