Süddeutsche Zeitung

Gleichstellungsdebatte in der Union:"Wenn die CDU Volkspartei bleiben will ..."

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Früher ein strikter Gegner der Gleichstellung von Homo- und Hetero-Ehe, spricht sich Bundesfinanzminister Schäuble jetzt überraschend deutlich für eine Kursänderung aus. CSU-Chef Horst Seehofer hingegen bleibt bei seinem Nein.

Es gibt Streit in der Koalition. Streit, der am ideologischen Fundament der Union aus CDU und CSU rüttelt. Seit zwei Wochen ist die alles beherrschende Frage: Soll die Homo-Ehe mit der Hetero-Ehe gleichgestellt werden?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich mittlerweile ausführlich zu dieser Debatte geäußert, er sprach sich im Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag dafür aus, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften steuerlich mit Hetero-Ehen gleichzustellen - und wählte klare Worte: "Wenn die CDU Volkspartei bleiben will, dann muss sie veränderte Realitäten zur Kenntnis nehmen."

Den Vorbehalten vor allem Älterer in seiner Partei entgegnet er: "Wir können nicht bloß sagen: Das ist gut, nur weil es immer schon so war, und deshalb muss es so bleiben. Wenn viele Menschen das heute anders sehen, muss man nachdenken." Wer glaubhaft für Werte eintreten wolle, müsse sich immer auch fragen: "Was heißt das Eintreten für diese Werte in einer veränderten Realität?" Schäuble ergriff damit das Wort in einer für seine Partei schwierigen Debatte, die am kommenden Montag auch das CDU-Präsidium beschäftigen wird.

Zuvor hatte sich CSU-Chef Horst Seehofer gegen die gesetzliche Gleichstellung von Home-Ehe und Hetero-Ehe ausgesprochen. Überlegungen führender CDU-Politiker - darunter Fraktionschef Volker Kauder und der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer - noch in dieser Legislaturperiode ein umfassendes Gesetz zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe zu beschließen, dürften also am Widerstand der CSU scheitern.

Denn die Partei stemmt sich weiter vehement gegen eine gesetzliche Neuregelung des Ehegatten-Splittings zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Ein umfassendes Gesetz dazu werde es in dieser Legislaturperiode "ganz sicher" nicht geben, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

"Jetzt kannst Du endlich mal beweisen, dass Du flexibel bist."

"Es gibt jetzt und auch bis zum Sommer überhaupt keine Veranlassung, die steuerliche Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften gesetzlich neu zu regeln." Die CSU werde höchstens ein Gesetz zur Regelung sogenannter Sukzessivadoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare mittragen. "Weiter nichts. Auch kein Gesetz zur Voll-Adoption", sagte Seehofer dem Blatt. Vor einer Woche hatte Seehofer vor einem "Schnellverfahren" gewarnt, sich aber nicht auf ein Nein festgelegt. Jetzt hört sich das schon anders an.

Und die Reaktionen aus der Koalition kommen in dieser hitzig geführten Debatte prompt: Auf dem FDP-Parteitag in Aschaffenburg forderte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Seehofer dazu auf, seinen Widerstand gegen die rechtliche Gleichstellung von Homo-Ehen endlich aufzugeben. Auf dem Parteitag ihres bayerischen Landesverbandes in Aschaffenburg am Samstag sagte sie: "Lieber Horst, ich weiß, dass es für Dich schwierig ist, bei diesem Thema und mit der CSU endlich zu einer Gesellschaftspolitik zu kommen, die den Realitäten entspricht. Jetzt kannst Du endlich mal beweisen, dass Du flexibel bist."

Sowohl in der Bundesregierung als auch im CDU-Teil der Unionsfraktion im Bundestag war dagegen in dieser Woche zu hören, alle Möglichkeiten würden umfassend geprüft. Bundeskanzlerin Angela Merkel bat am vergangenen Dienstag um zehn Tage Zeit, um ausgiebige Gespräche führen zu können. Auch eine über das Thema Sukzessiv-Adoption hinausgehende gesetzliche Regelung wird dabei nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Erst kürzlich hatte d as Bundesverfassungsgericht das Adoptionsrecht homosexueller Lebenspartner gestärkt. Die Richter ordneten an, dass eine Sukzessivadoption ab sofort möglich ist. Damit ist auch gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, dass ein Kind, das von dem einen Partner bereits adoptiert wurde, auch von dem anderen Partner angenommen werden kann.

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