Union streitet über die Homo-Ehe:Merkel bittet um zehn Tage Zeit

"Lassen Sie uns miteinander reden und dann entscheiden": Aufgebracht debattiert die Unionsfraktion über die Gleichstellung der Homo-Ehe. Kanzlerin Merkel versucht, den Streit zu besänftigen. Am überraschendsten ist jedoch der Auftritt von Finanzminister Schäuble.

Von Robert Roßmann, Berlin

In der Unionsfraktion ist es am Dienstagnachmittag zu einer ungewöhnlich heftigen Auseinandersetzung über den Umgang mit eingetragenen Lebenspartnerschaften gekommen. Die Abgeordneten stritten zwei Stunden lang über die Frage, ob die Homo-Ehe der normalen Ehe gleichgestellt werden soll.

Die Debatte sei "sehr aufgeladen" geführt worden, berichteten Teilnehmer. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hätten versucht, den Streit mit moderaten Wortmeldungen zu besänftigen.

Am Wochenende hatten Fraktionschef Volker Kauder und sein parlamentarischer Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer einen Kurswechsel der Union verlangt. Spätestens seit dem Verfassungsgerichtsurteil zu den Sukzessiv-Adoptionen vom vergangenen Dienstag ist klar, dass Karlsruhe noch in diesem Jahr die völlige Gleichstellung fordern wird.

Kauder und Grosse-Brömer wollen vermeiden, dass die Politik dann wieder nur als Getriebene dasteht. Grosse-Brömer hatte deshalb von der Union "in Sachen Gleichstellung" mehr Beweglichkeit verlangt. Angesichts "der klaren Tendenzen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts sollten wir jetzt möglichst rasch handeln und die erforderliche verfassungsrechtliche Gleichstellung auch durchführen", sagte Grosse-Brömer.

Der Vorstoß hatte vor allem in der CSU und bei den Mitgliedern des konservativen Berliner Kreises für erheblichen Unmut gesorgt. Dieser entlud sich jetzt in der Fraktionssitzung, es gab 21 Wortmeldungen.

Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) kritisierte den Kurswechsel am heftigsten. In der Debatte meldeten sich aber auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und deren Stellvertreter Max Straubinger mahnend zu Wort. Die Christsozialen verlangten, nicht ohne Not an der Privilegierung von Ehe und Familie zu rütteln. Über die jüngsten Vorgaben des Verfassungsgerichts zum Adoptionsrecht hinaus solle es deshalb keine "Weichenstellungen" geben. Für die CSU hätten Ehen und Lebenspartnerschaften weiterhin eine unterschiedliche Wertigkeit.

Die gegenteilige Auffassung vertraten unter anderen die CDU-Abgeordneten Matthias Zimmer, Jens Spahn, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Ruprecht Polenz und Jan-Marco Luczak. Spahn sagte, man könne Ehe und Familie fördern, ohne die Lebenspartnerschaften zu diskriminieren. Außerdem sei die gegenseitige Übernahme von Pflichten durch Lebenspartner doch gerade eine positive, wertegebundene Entscheidung, wie sie die Union immer fordere. Der CDU-Abgeordnete Helmut Heiderich verlangte stattdessen die Umwandlung des Ehegatten- in ein Familiensplitting.

Fraktionschef Kauder gab zu erkennen, dass er von seinen persönlichen Grundpositionen her Schwierigkeiten mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts habe. Jetzt müsse man aber schauen, zu welchen Konsequenzen angesichts der nun einmal gesprochenen Urteile die Union kommen solle - und dann schnell entscheiden.

Auch Merkel versuchte, die Wogen zu glätten. Sie sagte Teilnehmerangaben zufolge, es sei gut, dass die Diskussion jetzt geführt werde. Das passe auch zum Volkspartei-Charakter der Union. Außerdem gebe das Urteil zu den Sukzessiv-Adoptionen dazu tatsächlich Anlass. Merkel sagte, ihr persönlich falle eine Gleichstellung im Adoptions- und Steuerrecht schwer. Sie sei wie viele Abgeordnete mit der traditionellen Rollenverteilung von Mann und Frau aufgewachsen.

Andererseits sei aber klar, wie Karlsruhe urteilen werde. Die CDU-Chefin appellierte deshalb an ihre Abgeordneten: "Lassen Sie uns miteinander reden und dann entscheiden." Merkel bat um etwa zehn Tage Zeit für ausgiebige Gespräche. Dann trifft sich der Bundestag zu seiner nächsten Sitzungswoche wieder. Eine Entscheidung soll es dann vielleicht schon im März geben.

Am überraschendsten war jedoch der Auftritt Schäubles. Er ist der dienstälteste Abgeordnete und galt bisher als Gegner einer Gleichstellung. Schäuble sagte, die Zeiten änderten sich, deshalb solle man auch für die Konsequenzen offen sein. Er sprach den 74-jährigen CSU-Abgeordneten Norbert Geis direkt an und sagte, als ältere Generation müsse man schon schauen, ob man Dinge nur gut finde, weil sie schon immer so waren. Schäubles Auftritt wurde als "altersmilde" beschrieben.

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