Süddeutsche Zeitung

Gemeinsamer Auftritt von Steinbrück und Trittin:Vom zahnlosen Tiger gebissen

Lesezeit: 3 min

Bären und Tiger spielen eine gewisse Rolle beim ersten gemeinsamen Auftritt von Peer Steinbrück und dem Grünen Spitzenkandidaten Jürgen "wäre-gern-Finanzminister" Trittin im Vor-Bundestagswahlkampf. Die beiden stellen ein gemeinsames Papier zur Bankenunion vor - vor allem aber inszenieren sie ihre neue rot-grüne Gemeinsamkeit.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Sie hätten auch ihre eigenen Autos nehmen können, die stehen ja beide da, vor dem Portal der Bundespressekonferenz. Aber Politik lebt von Inszenierung. Und so steigen Peer Steinbrück und Jürgen Trittin eben unter Blitzlichtern und von Fotografen verfolgt gemeinsam in ein Auto, und zwar in Trittins Wagen. Der Grünen-Spitzenkandidat und -Fraktionschef nimmt den SPD-Kanzlerkandidaten mit. Im Auto von Steinbrück dürfen die beiden Pressesprecher Platz nehmen.

Die Botschaft ist klar und wird auch in der gemeinsamem Pressekonferenz immer wieder betont werden: SPD und Grüne stehen zusammen für das eine Ziel, am 22. September 2013 mit einer klaren Mehrheit die Regierung Merkel zu stürzen.

Weil man für solche Bekundungen kaum Journalisten einladen müsste, gibt es auch einen Anlass: Ein gemeinsames Papier der beiden Bundestagsfraktionen zur Bankenunion. Beide Seiten haben darin ihre Auffassungen über eine Neuordnung der Bankenaufsicht in Europa aufgeschrieben.

Banken in Madrid und Wanne-Eickel

Erstes Ziel: Der Steuerzahler soll nicht für die Unfähigkeit der Finanzmanager haften. Darum fordern Trittin und Steinbrück, dass zuerst die Institute selbst haften sollen, dann die Gläubiger und zuletzt alle anderen Banken über einen Fonds. Ohne aber dass, wie Steinbrück sagt, "die Sparkasse Wanne-Eickel für eine Bank in Madrid mit haftet". Außerdem soll über einen Altschuldentilgungsfonds die Schuldenlast angeschlagener Euro-Länder aufgefangen werden.

Ein Programm, das sich in Nuancen durchaus von der Euro-Rettungspolitik Angela Merkels unterscheidet. Im Kern lebt es aber davon, dass Steinbrück und Trittin es nicht mit den Staaten der Europäischen Union abstimmen mussten. Steinbrück scheint die Frage danach einigermaßen merkwürdig zu finden. "Natürlich richtet sich unser Vorschlag in die Zukunft. Wir beide regieren noch nicht."

Siegfried, Roy und der zahnlose Tiger

Sie müssten also schon zaubern können, um ihr Programm in der EU eins zu eins umzusetzen. Da scheinen "Siegfried und Roy" am Werk zu sein, frotzelt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle am Morgen vor Journalisten. "Aber Sie wissen, wie das ausgegangen ist: Am Ende wurde einer vom Tiger gebissen."

Nun gut, wenn damit die FDP gemeint sein sollte, dann ist der Tiger im Moment ziemlich zahnlos unterwegs. Und so können sich Steinbrück und Trittin darauf konzentrieren, weiter gelassene Einigkeit zu demonstrieren.

Da geht es erst mal weniger um Tiger als um einen Bären. Besser gesagt: Um dessen Fell, das Steinbrück nicht verteilen will, bevor das Tier erlegt, sprich: die Wahl gewonnen ist. Dafür muss zwar erst aus dem Problem-Peer ein richtiger Kanzlerkandidat werden, aber das ist wohl eine andere Geschichte.

Welchen Posten denn die beiden anwesenden Spitzenkandidaten in der kommenden Regierung innehaben werden, wird gefragt. Klar, Steinbrück wird Kanzler, wenn es mit den Grünen reicht. Und zwar nur mit den Grünen. Mit den Linken wollen beide nicht, mit der CDU Steinbrück nicht. Mit der FDP in einer Ampel, das würde Steinbrück vielleicht noch machen. Aber mit der FDP will Trittin jetzt nicht, obwohl er das einst vor der Bundestagswahl 2009 nicht ausschließen wollte. Da trifft es sich gut, dass die FDP eigentlich auch nicht mit den Grünen will, wobei da ja die Wand der Ablehnung durchaus bröckelt.

Also: Angenommen, Rote und Grüne regieren in irgendeiner Form miteinander: Wird Trittin dann Finanzminister unter Herrn Steinbrück? Trittin grinst, wissend, sagt aber nichts. Es gebe rot-grün nur "auf Augenhöhe", sagt er, kein oben und kein unten. Steinbrück ergänzt mit dem bekannten Bärenfell-Bild.

Der SPD-Kanzlerkandidat findet allerdings, dass eine Partei mit "30 Prozent plus x" gegenüber einer mutmaßlich nur halb so großen Partei ihre Ansprüche gelten machen könne. "Keine Sensation" sei es, wenn er das sage. Nein, ist es nicht, aber schon etwas anderes als Augenhöhe. Ein kleiner Bruch wird an dieser Stelle zwischen den beiden bereits deutlich. Die Grünen haben ja durchaus ihre Erfahrungen mit den Sozialdemokraten gemacht. Nicht zuletzt Steinbrück hat als NRW-Ministerpräsident einst den Grünen das Leben schwer gemacht - und umgekehrt.

Das sei heute alles ganz anders, versichert Steinbrück. Trittin sekundiert, dass beide Parteien gerade in der gemeinsamen Opposition gemerkt haben, dass es "Schlimmeres gibt". Sich als Gurkentruppe und Wildsäue zu beschimpfen, so schlimm sei es "nach meiner Erinnerung nicht mal in NRW gewesen", findet Trittin. Die nicht wenigen Mitglieder im Verein der Rot-Grün-Geschädigten aus NRW dürften Trittin an dieser Stelle punktuelle Amnesie vorhalten.

Kommando: Fettnöpfchen vermeiden

Neu ist an diesem Tag lediglich zu berichten, dass Peer Steinbrück seit heute unter @peersteinbrueck twittert. Naja, er hat zumindest jetzt diesen Account und stellte sich heute Fragen seiner mehr als 7000 Follower. Einmal äußert er etwa die "inständige" Hoffnung, "dass Italien die Wiederauferstehung von Berlusconi zu verhindern weiß".

Das ist insofern interessant, als er sich in der Bundespressekonferenz eines Kommentares zu Berlusconi enthält. Mit dem nachvollziehbaren Hinweis, es würden immer viele darauf warten, dass er in ein "Fettnäpfchen" trete. "Ich will das heute mal vermeiden", sagt er und grinst. Es ist das Steinbrück-Grinsen, das immer auch ein bisschen nach gefletschten Zähnen aussieht.

Wer jetzt glaubt, der Offline-Kandidat Steinbrück verwandele sich jetzt in einem wahren @peersteinbrueck, der irrt. Er werde jetzt sicher nicht anfangen, der Welt kund zu tun, dass "ich gerade im Einstein mit Einstein sitze, oder mit Kleinkindern spiele und ihre Köpfe streichele", gibt er über den Kurznachrichtendienst preis. Nein, dieses Twitter, das "wird ganz ungezwungen gehandhabt von mir", sagt er. Und dann gehen er und Trittin gemeinsam zum Auto, irgendwie auch ganz ungezwungen. Was denn sonst?

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