Süddeutsche Zeitung

USA und Europa:Mit Trump droht ein neuer kalter Krieg

Lesezeit: 3 min

Der US-Präsident kennt keine Grenzen und keine Vernunft. Europa darf ihm nicht hinterherlaufen, Merkel muss Macron jetzt endlich als ihren wichtigsten Verbündeten ernst nehmen.

Kommentar von Marc Beise

Vor vielen Jahren, die Älteren erinnern sich, befand sich die Welt im Kalten Krieg. Die USA und die Sowjetunion standen in harter Konfrontation gegeneinander, ihre Verbündeten hatten sie in Treue fest um sich geschart. Gegenseitig traute man sich alles denkbar Schlechte zu; mehr als einmal war die Gefahr konkret, dass die Situation zu einem heißen Krieg eskalieren würde. Am Ende triumphierte der Kapitalismus über den Kommunismus, das Freiheitsstreben vieler Menschen siegte über die Zwänge kollektiver Systeme - und mit der Auflösung des Ostblocks begann ein Zeitalter des Miteinanders und gegenseitigen Vertrauens.

Heute ist die Gefahr real, dass der kalte Krieg zurückgekehrt. Der Kapitalismus hat nicht alle Versprechen erfüllt, die Zahl der Unzufriedenen wächst und mit ihr die Selbstzweifel im System. Überall sind Populisten auf dem Vormarsch. Russland fordert den Westen politisch heraus, China wirtschaftlich. Und der Westen ist politisch tief gespalten. Das jährliche Gipfeltreffen der führenden westlichen Industrienationen ist spektakulär gescheitert. Der US-Präsident hat seinen Partnern den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen, aus den G 7 sind faktisch G 6 geworden.

Trump hat seinen sechs Partnern den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen

Wer noch geglaubt haben sollte, Donald Trump sei Argumenten und Fakten zugänglich, der sollte diese Hoffnung endgültig begraben. Mit diesem ungehobelten und dummen Mann wird die Welt weder besser noch friedlicher werden. Und hinter ihm stehen viele, Wähler und Anhänger, die bereit sind, sein Spiel "Einer gegen alle" mitzumachen. Noch droht Trump nicht mit Gewalt, aber mit heftigen wirtschaftlichen Waffen. Für Deutschland, das mehr als die meisten anderen Nationen auf wirtschaftlichen Austausch angewiesen ist und das seinen Wohlstand maßgeblich dem Handel verdankt, ist die Situation dramatisch gefährlich.

Die Zölle auf Stahl und Aluminium sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was kommen kann. Wenn Trump deutsche Autos mit einem hohen Zoll belegt, wird die Industrienation in ihrer Kernkompetenz getroffen, viele weitere Sanktionen sind denkbar. Dennoch wäre es völlig falsch, jetzt zu kuschen. Dieser Mann kennt keine Grenzen und keine Vernunft. Es hat keinen Sinn, ihm weiter hinterherzulaufen. Trump ist unbelehrbar, er stellt sich gegen alle Gewissheiten. Er akzeptiert weder die Notwendigkeiten der Klimapolitik noch die Regeln der Wirtschaftspolitik. Es ist vielfach nachgewiesen, dass Protektionismus, also wirtschaftliche Abschottung, auf längere Sicht allen schadet, selbst dem Urheber der Maßnahmen, hier also den USA. Trump ist das egal, und er will auch nicht einsehen, dass Vertrauen ein hohes Gut in Politik und Wirtschaft ist.

Merkel sollte sich Helmut Kohl zum Vorbild nehmen

In dieser Situation kann man nur verzweifeln - oder die Reihen schließen und sich nach den wahren Verbündeten umsehen. Deutschlands Hoffnung liegt in Europa, nirgends sonst. Das ist das, was die Kritiker der EU und der Euro-Gemeinschaft gerne übersehen. Ihnen fehlt der Blick aufs Große und Ganze. Sie fordern zu Recht eine Stabilitätspolitik, weisen auf die Schwächen des Euro-Systems hin, beziffern die Risiken für Deutschland - aber sie legen mit ihrer Fundamentalkritik die Axt ans ganze System. Spätestens seit Trump sollte allen Deutschen klar sein: Wenn es hart auf hart kommt, dann haben sie nur Europa.

In diesem Europa spielt Nachbar Frankreich die zentrale Rolle; jenes Frankreich, das nicht genug dafür bewundert werden kann, mit Emmanuel Macron einen Mann zum Präsidenten gewählt zu haben, der wie ganz wenige Politiker Charakterstärke, Charisma, Tatkraft und europäischen Enthusiasmus in einer Person vereint. Macron hat Deutschland ein Angebot gemacht und bisher vor allem verlegenes Schweigen geerntet. Macrons Botschaft lautet: Wir stehen zusammen, wir unterstützen euch sogar bei euren Autos, aber wir fordern im Gegenzug eine neue Initiative für Europa. Das ist ein faires Angebot - Deutschland sollte einschlagen und die Einzelheiten konstruktiv verhandeln. Wer Angst hat, mehr Europa komme Deutschland zu teuer, der sollte sich fragen, wie viel Deutschland erst zahlen muss, wenn es sich alleine gegen Trumps USA behaupten soll.

In dieser historischen Stunde darf die Bundeskanzlerin nicht zögern. Sie sollte sich den großen Europäer Helmut Kohl zum Vorbild nehmen und den Schulterschluss mit Frankreich wagen. Es ist höchste Zeit für eine große Geste und viele kleine Annäherungen. Bei der Verleihung des Karlspreises an den französischen Präsidenten vor einigen Wochen hat Merkel die Chance verstreichen lassen, auf dessen Werben demonstrativ enthusiastisch zu reagieren. Noch ist es nicht zu spät dafür. Merkel und Macron müssen sofort und mit großer Symbolik eine neue Initiative starten, die EU zu erneuern. Nur als Teil eines schlagkräftigen Europas hat Deutschland überhaupt eine Chance, sich gegen Trump und weitere Herausforderungen zu behaupten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4009437
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.06.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.