Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in Griechenland:Aus den Augen ist nicht aus dem Sinn

Auch nach dem EU-Türkei-Deal ist die Krise nicht gelöst. Jeder Flüchtling, der nicht in Deutschland ankommt, geht die Bundesregierung etwas an.

Kommentar von Mike Szymanski

Nur weil jetzt plötzlich Betten in Deutschlands Flüchtlingsnotunterkünften frei bleiben, sollte sich niemand der Illusion hingeben, die Krise sei gelöst. Die Balkanroute ist zu. Und die EU hat sich auf einen zweifelhaften Deal mit der Türkei eingelassen.

Das Land nimmt alle Flüchtlinge, die jetzt noch Griechenland erreichen, zurück. Für jeden Syrer darunter kann sie auch einen Syrer in die EU schicken. Eine der Architekten dieses Modells - manche reden von einem Mechanismus - ist Angela Merkel. Damit geht auch jeder Flüchtling, der nicht mehr in Deutschland ankommt, die Bundesregierung noch etwas an.

Schon vor dem offiziellen Start der großen Flüchtlingsverschiebung am 4. April bieten Meldungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Anlass zu Sorgen. Deren Recherchen zufolge hätten die türkischen Behörden in den vergangenen Wochen Hunderte, vielleicht Tausende, Flüchtlinge ins Bürgerkriegsland Syrien zurückgeschickt. Die Gefahr besteht, dass sich auch die Türkei einen schmalen Fuß macht.

Allerdings muss man sagen, dass das Land mit der großen Zahl an Flüchtlingen bislang souveräner und menschlicher umgegangen ist, als manches EU-Mitglied. Trotzdem hat heute nur jedes dritte Flüchtlingskind in der Türkei Zugang zur Schule. Und der größte Teil der Flüchtlinge schlägt sich fernab teils gut ausgestatteter Camps auf eigene Faust durch.

Es bleibt zu hoffen, dass die EU nicht nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn" agiert. Dann folgt auf die Krise der Skandal.

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