Süddeutsche Zeitung

FDP: Volten in NRW:Andreas Pinkwart: Ein Chaos-Experte am Werk

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Wirrwarr in NRW: Erst will er nicht, dann doch unter Bedingungen - FDP-Landeschef Pinkwart und die "Ampel-Koalition".

Thorsten Denkler

Andreas Pinkwart ist von Beruf Chaosforscher. Gut möglich also, dass der nordrhein-westfälische FDP-Chef im Moment einen Heidenspaß daran hat, möglichst großes Chaos anzurichten.

Als wäre die Verwirrung nach der Landtagswahl in NRW nicht schon groß genug: Außer der großen Koalition sind dort nur Dreierbündnisse möglich.

Im Grunde sind es drei Dreierbündnisse, die in Frage kommen. Ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei. Eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Sowie theoretisch, wie im Saarland, eine "Jamaika-Koalition" mit CDU, FDP und Grünen - auch wenn die Öko-Partei dies vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen hat.

Die FDP sitzt jetzt in einem Dilemma. Einerseits hat sie an Rhein und Ruhr eine krachende Niederlage erlitten. Schwarz-Gelb ist in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. Die Partei ist in dem bevölkerungsreichsten Bundesland von der erhofften zweistelligen Prozentpunktzahl weit entfernt. Andererseits könnte die FDP, wenn sie denn wollte, weiterregieren.

Die Vorteile liegen für die Liberalen auf der Hand. Dass es bei zukünftigen Wahlen für schwarz-gelbe Zweierkonstellationen reicht, ist auf Dauer nicht garantiert. Die Liberalen brauchen also notgedrungen Optionen jenseits der CDU, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, von Wahl zu Wahl in der Opposition zu landen.

Außerdem kann die FDP so beweisen, wie ernst es ihr ist mit der Botschaft, dass Sozialisten in diesem Land nie wieder etwas zu sagen haben dürfen. Gemeint ist die Linkspartei in NRW, deren Vorderleute derart dunkelrot auftreten, dass es selbst den linkesten Linken bei SPD und Grünen vor der Truppe graut.

Bis zu diesem Dienstagmorgen aber war klar: Die FDP geht nicht in eine Ampelkoalition. Mit inhaltlichen Gründen hatte das nichts zu tun. Andreas Pinkwart erklärte vielmehr höchstselbst, dass er nicht mit Parteien koalieren könne, die ein Bündnis mit der Linkspartei prinzipiell für möglich hielten. Er deutete sogar an, dass er unter diesen Bedingungen einer großen Koalition den Vortritt lassen würde.

Erstaunliche Volten

Das ist an sich schon eine absurde Begründung. Pinkwart unterstellte damit Sozialdemokraten und Grünen, nur weil sie Bündnisse mit der Linken nicht ausschließen, mindestens genauso staatszersetzend zu sein, wie es die Linke in seinen Augen ist.

Wie gesagt: Das war der Andreas Pinkwart der Vergangenheit.

An diesem Dienstag aber setzt der nordrhein-westfälische FDP-Chef und Chaos-Experte noch einen drauf. Er hat nunmehr eine ganz neue Meinung - und sei jetzt doch bereit, sich auf Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen einzulassen. Allerdings unter der Bedingung, dass SPD und Grüne vorher jede zukünftige Zusammenarbeit mit der Linken ausschlössen.

Das sind erstaunliche Volten. Und es stellt sich die Frage, auf welchem Planeten Professor Pinkwart lebt. Natürlich, der FDP-Politiker kann fordern, was er will. Aber anderen Parteien verbieten, sich Optionen offenzuhalten? Da kommt die alte Überheblichkeit durch, die die FDP in dieses Wahldesaster geführt hat.

Die Lage ist eindeutig: Pinkwart vertritt eine 6,8-Prozent-Partei, tut aber so, als habe er gerade einen Sechser im Lotto gewonnen. Er benimmt sich wie der Chef eines Discounters, der einer Bewerberin erklärt: Bevor das Bewerbungsgespräch losgeht, soll sie ihm notariell beglaubigen, dass sie sich bei keinem anderen Discounter um eine Stelle beworben hat und auch nicht bewerben wird.

Ohne jede Bedingung

Wenn die Wettbewerbspartei FDP das unter Wettbewerb versteht, muss man ihr ein Gute-Nacht-Lied singen.

Wenn dem NRW-Mann Pinkwart so daran gelegen ist, die Linkspartei aus der Regierungsverantwortung herauszuhalten, dann muss er allein aus staatspolitischer Verantwortung alles daran setzen, eine Ampel-Koalition möglich zu machen. Und zwar ohne jede Bedingung. Wenn er das mit solchen Manövern versemmelt, dann hat die FDP jede Glaubwürdigkeit als selbsternannte Kämpferin gegen neosozialistische Umtriebe verloren.

Aber, wie gesagt: Vielleicht findet er es auch gar nicht so schlimm, wenn sich SPD, Grüne und Linke zusammenschlössen. Pinkwart könnte sich dann seiner alten Profession hingeben. Einem Chaosforscher dürfte es bei einem Linksbündnis in NRW an Arbeit nicht mangeln.

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