Süddeutsche Zeitung

FDP:Und jetzt nochmal von vorne

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Das vergangene Jahr lief alles andere als gut für die Liberalen. Beim Dreikönigstreffen muss Parteichef Lindner seine Leute für all die Wahlkämpfe 2021 motivieren - in einem leeren Saal.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es wirkt, schaut man es heute noch einmal an, wie eine Inszenierung aus einer anderen Galaxie. Christian Lindner steht vor einer Projektion der Weiten des Weltalls im Stuttgarter Opernhaus und fordert seine Liberalen auf, nach den Sternen zu greifen. "Denken wir groß", lautet das Motto.

Der FDP-Chef hält eine Motivationsrede, in der es darum geht, was alles möglich ist, wenn man sich nicht allzu sehr bescheidet. "Wir haben in den ostdeutschen Landtagswahlen unseren Stimmenanteil verdoppelt", schwärmt Lindner. Einen Parteifreund lobt er dabei ganz besonders. Thomas Kemmerich, der Spitzenkandidat in Thüringen, habe bewiesen, dass die FDP auch im Osten wieder erfolgreich sein könne. Vor einem Jahr war das, beim Dreikönigstreffen 2020.

Das Jahr 2020 sollte sich dann als ein Jahr erweisen, das vor allem groß war in seinen Katastrophen. Im Allgemeinen, aber für die FDP eben auch im Besonderen. Wofür der Name Kemmerich steht, aber nicht nur.

Wenn am Mittwoch Christian Lindner wieder im Scheinwerferlicht der Stuttgarter Bühne steht, wird das sein Problem sein. Er kann eigentlich nicht so tun, als habe seine Partei einen Lauf. In Umfragen dümpelt die FDP knapp neun Monate vor der Bundestagswahl zwischen fünf und sieben Prozent und damit klar unter den 10,7 Prozent von 2017.

Einen Motivationsschub braucht die Partei folglich noch dringender als vergangenes Jahr, und vermutlich braucht ihn auch Lindner selbst. Normalerweise ist der 6. Januar dafür der richtige Termin. Immer wieder an dem Tag verwandelt sich die Stuttgarter Oper in ein liberales Treibhaus. In stickiger Enge finden FDP-Chefs seit jeher ein dankbares Publikum. Diesmal wird es fehlen. Wegen der Pandemie findet das Treffen nur virtuell statt, Lindner muss ins Leere sprechen.

Lindner sagt, die Lage sei besser als Anfang 2017

Seine Kernbotschaft hat er dabei schon einmal vorab wissen lassen. "Wir haben die Ambition auf Regierungsbeteiligung", sagte er der Bild am Sonntag. Lindner bestreitet schon länger nicht mehr, dass der Auszug aus den Jamaika-Sondierungen 2017 der FDP geschadet hat, was er allerdings vor allem auf ein Kommunikationsversagen zurückführt. Insgesamt sei die Lage besser als vor vier Jahren, so versucht er seine Leute zu motivieren - was insofern stimmt, als die Partei damals noch ein Dasein in der außerparlamentarischen Opposition fristete. Dass 2020 schlecht gelaufen ist, bestreitet allerdings keiner ernsthaft in der FDP.

Das Jahr sei von vielen "Defensivthemen für die FDP geprägt gewesen", formuliert es ihr Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag, Marco Buschmann. Zur Ruhe kam die Partei tatsächlich kaum. Am Anfang stand die Wahl von Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten in Thüringen mit Stimmen auch der AfD, die zu Turbulenzen und Imageschaden führte.

Daran schlossen sich Querelen um Linda Teuteberg an, die von Lindner zu Gunsten von Volker Wissing als Generalsekretärin verdrängt wurde, und schließlich das Ringen um den richtigen Kurs in der Corona-Pandemie, die es für eine "individualistische Oppositionspartei" auch nicht leichter mache, wie Buschmann bekennt. Es könne eigentlich nur besser werden, sagt er. Nun sei er zuversichtlich, dass es aufwärts gehen werde.

Der Gastgeber fürchtet um seine Landtagswahl im März

Zumindest einem Problem konnte tatsächlich vor Beginn des großen Wahljahres der Schrecken genommen werden. Nach langem Zögern gab der Thüringer Kemmerich dem Druck aus der Parteispitze und allen anderen Landesverbänden nach und verzichtete auf eine Spitzenkandidatur bei der für April geplanten Landtagswahl. Damit bleibt Lindner ein Showdown erspart, der den Wahlkampf im Bund belastet hätte.

Wie wenig trotzdem von Harmonie die Rede sein kann, macht vor dem Dreikönigstreffen einer der Gastgeber klar. "Unter dem Strich gibt es sicher keinen Rückenwind für den Landtagswahlkampf im Moment aus dem Bund", sagte der Spitzenkandidat der baden-württembergischen FDP für die Landtagswahl im März, Hans-Ulrich Rülke, der Deutschen Presse-Agentur. Die Umfragen gäben derzeit "auch keine Regierungsbeteiligung der FDP auf Bundesebene her".

Mit der FDP werde es in dem Maße aufwärts gehen, in dem die Sorge vor einem wirtschaftlichen Abstieg infolge der Pandemie um sich greift, mit diesem Hinweis macht Lindner hingegen seinen Leuten auf klassische Weise Mut. Es werde "die Frage der wirtschaftlichen Erholung immer aktueller werden", prophezeit er. Die Fokussierung auf Wirtschaftsthemen hat in der Partei viele Anhänger, ruft aber auch Skeptiker auf den Plan. "Wenn jeder Bezug zu vermeintlich 'neuen' Themen mit 'linksgrünem Zeitgeist' gleichgesetzt wird, zwingt man Teile der Wählerschaft förmlich zur Entscheidung gegen freiheitliche Konzepte", warnten die Bundestagsabgeordneten Johanns Vogel und Konstantin Kuhle gerade in der Welt. Die FDP müsse "bisherigen Sympathisanten von Union, SPD und Grünen gleichermaßen ein Angebot machen".

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