Süddeutsche Zeitung

EU-Parlament:EVP schließt Fidesz-Abgeordneten nicht aus

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Der Eklat bleibt wohl aus: Um den Ungarn Viktor Orbán nicht zu provozieren, verzichtet die EVP-Fraktion auf eine harte Strafe für Tamas Deutsch. Der hatte Fraktionschef Manfred Weber Gestapo-Methoden unterstellt.

Von Cathrin Kahlweit, Wien, und Matthias Kolb, Brüssel, Brüssel

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament schließt den Ungarn Tamas Deutsch nicht aus. Er hatte Fraktionschef Manfred Weber mit der Gestapo in Verbindung gebracht. Wie die SZ erfuhr, wollten vor allem die CDU und der spanische Partido Popular Ungarns Premier Viktor Orbán nicht provozieren.

Am frühen Mittwochnachmittag zeichnete sich eine Lösung für den Konflikt in der Parteienfamilie ab: Nach einer Debatte in der Fraktionssitzung, die am frühen Abend beginnt, soll eine Resolution verabschiedet werden, die Deutschs Worte "stark verurteilt" und als Widerspruch zu den Werten der EVP bezeichnet.

Zudem wird die Parteienfamilie aufgefordert, so bald wie möglich "endgültig" über die Mitgliedschaft von Fidesz in der EVP zu entscheiden. Diese ist seit März 2019 suspendiert. Anfang Februar sollen Vertreter der Mitgliedsparteien in Brüssel zusammenkommen, wenn dies die Corona-Auflagen zulassen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse kommt CDU und CSU dabei eine Schlüsselrolle zu.

Die Kandidaten für die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze der CDU haben noch nicht erklärt, ob sie Fidesz für einen vertrauenswürdigen Partner ansehen.

Auch wenn dem 56-jährigen Deutsch der Rauswurf vorerst erspart bleibt, so wird er doch bestraft: Deutsch verliert "mit sofortiger Wirkung" das Rederecht für die Fraktion und darf auch keine wichtige Position wie die eines Berichterstatters übernehmen. Alle Fidesz-Abgeordneten sollen "darüber reflektieren", ob ihre politischen Überzeugungen noch zur EVP passen.

In der eine Seite umfassenden Erklärung wird der Rechtsstaatsmechanismus zum Schutz des EU-Budgets, den Orbán wochenlang durch eine von vielen als "Erpressung" empfundene Blockade der Corona-Hilfen verhindern wollte, als "historische Einigung, auf die wir stolz sein sollten" bezeichnet.

Ungarn beschneidet Rechte Homosexueller

In der Nacht zum Mittwoch hatte das ungarische Parlament eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die weitreichende Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben haben. Mit ihrer Mehrheit beschloss Fidesz Grundgesetzänderungen, welche die Ehe als Zusammenschluss von Mann und Frau festschreiben, und wonach auch Elternschaft auf Männer und Frauen beschränkt sein soll. Das Recht Homosexueller auf die Adoption von Kindern wird damit negiert; Ausnahmen bedürfen einer Genehmigung durch das Familienministerium.

"Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann" - so lautet künftig die in der Verfassung niedergelegte Regel für Familiengründungen; zudem wird festgeschrieben, dass das Geschlecht eines Menschen bei seiner Geburt festgelegt und später nicht mehr geändert werden kann, indem ein neues Geschlecht etwa in amtlichen Registern eingetragen wird. Begründet hat die Orbán-Regierung die Änderungen, die zugleich Verschärfungen der Rechtslage mit Blick auf die Rechte der LGBTQ-Community bedeuten, mit dem "Schutz der Familie" und der Sicherheit für Kinder. Neu ist auch die Möglichkeit, in Schulen und Kindergärten Lehrinhalte zu sexuellen Minderheiten unter Strafe zu stellen.

Geändert wurde auch das Wahlgesetz. Die Voraussetzung zur Aufstellung von Landeslisten wurde verschärft, was es künftig vor allem kleineren Parteien erschwert, landesweit anzutreten. Die Opposition sieht darin den Versuch, die geplante Zusammenarbeit mehrerer Parteien für die Parlamentswahl 2022 zu unterminieren.

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