Süddeutsche Zeitung

Sanktionen:Das EU-Parlament nimmt den Altkanzler ins Visier

Lesezeit: 2 min

EU-Abgeordnete fordern Strafen für Ex-Politiker, die Geld in Putins Imperium verdienen: Auch die deutschen Sozialdemokraten wollen für die Resolution stimmen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Das Europaparlament wird sich an diesem Donnerstag mit einem bemerkenswerten Papier zum russischen Krieg gegen die Ukraine beschäftigen. "Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU" lautet der sperrige Titel auf Deutsch, der Entschließungsantrag befasst sich mit allen möglichen Auswirkungen des Krieges auf Wirtschaft und Gesellschaft in der Europäischen Union. Und vermutlich würde er keine besondere Beachtung finden, wenn da nicht auf Seite 5 ein besonderer Name auftauchen würde: Gerhard Schröder. Der deutsche Altkanzler soll auf die Sanktionsliste der EU gesetzt werden, wenn er weiterhin im Imperium von Wladimir Putin Geld verdient. So steht das im letzten Entwurf der Resolution, die im Parlament vermutlich eine große Mehrheit finden wird.

Als Vorbilder werden dem Altkanzler drei ehemalige europäische Regierungschefs empfohlen: der Franzose François Fillon, der Österreicher Wolfgang Schüssel und der Finne Esko Aho. Sie alle hätten ihre Verbindungen zu russischen Firmen gekappt. Neben Schröder wird auch die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl aufgefordert, in sich zu gehen. Sie hatte Putin im Jahr 2018 sogar zu ihrer Hochzeit geladen und sitzt im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Rosneft. Kneissl, die mittlerweile in Frankreich lebt, reagiert auf Forderungen, sie solle sich von Putin distanzieren, mindestens so renitent wie Schröder.

Den Anstoß für die Resolution gab der Spanier Luis Garicano, ein Wirtschaftswissenschaftler von der Partei Ciudadanos, der im Europaparlament der liberalen Fraktion "Renew" angehört. Es gebe kein besseres Beispiel für die Wirkungsweise von "Drehtüren" in Politik und Wirtschaft als Gerhard Schröder, sagte Luis Garicano der Nachrichtenseite Politico: "Ein Mann arbeitet für die russische Regierung, der zuvor für Nord Stream 2 geworben hat und zuvor verantwortlich war für die besonderen deutsch-russischen Beziehungen." In die Drehtür rein, aus der Drehtür raus in neuer Funktion: immer wieder Gerhard Schröder, der Putin-Freund.

Auch SPD-Abgeordnete wollen dafür stimmen

Die Resolution findet mittlerweile Unterstützung aus allen großen Fraktionen. Auch die deutschen Sozialdemokraten wollen offenbar dafür stimmen. "Die Äußerungen und Handlungen Gerhard Schröders haben absolut nichts mit den Überzeugungen und der Haltung der SPD zu tun", sagt dazu Jens Geier, der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten. "Wir stehen klar und unmissverständlich an der Seite der Ukraine. Es ist tragisch, dass sich Gerhard Schröder für die falsche Seite der Geschichte entschieden hat. Er handelt als Geschäftsmann."

Die Drohung gegen Schröder und Kneissl wird in der Resolution folgendermaßen formuliert: Die 27 Mitgliedsländer sollten die Liste der von EU-Sanktionen erfassten Einzelpersonen erweitern auf "europäische Mitglieder der Führungsgremien größerer russischer Unternehmen und auf Politiker, die weiterhin russisches Geld verdienen". Für die EU-Kommission und den Rat, die die Sanktionen umsetzen müssten, hat sie keinerlei bindende Wirkung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5587543
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.