Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:EU-Kommission will Ungarn 13,3 Milliarden Euro streichen

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Weil Victor Orbán Korruption und Vetternwirtschaft nicht ausreichend bekämpft, empfiehlt die oberste EU-Behörde, Ungarn den Geldhahn zuzudrehen. Nun müssen die Mitgliedsländer nur noch zustimmen.

Die EU-Kommission empfiehlt, EU-Mittel in Milliardenhöhe erst einmal nicht an Ungarn auszuzahlen. Die Behörde ist unter anderem unzufrieden mit der Korruptionsbekämpfung der rechtsnationalen Regierung in Budapest. Deshalb schlägt sie vor, rund 7,5 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt und 5,8 Milliarden Euro der Corona-Hilfen zu blockieren.

Die Kommission hatte mit Ungarn 17 Reformen vereinbart, um das Zurückhalten der Mittel abzuwenden. Danach hatte die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán bis Mitte November Zeit, um Fortschritte im Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft zu präsentieren. Doch wichtige Maßnahmen seien nicht richtig umgesetzt worden; bei anderen fehlten Informationen, hieß es vergangene Woche aus der Kommission.

Ob Ungarn die 7,5 Milliarden Euros aus dem Gemeinschaftshaushalt wirklich nicht bekommt, entscheiden die EU-Finanzminister. Um das Geld einzufrieren, ist eine qualifizierte Mehrheit nötig. Das heißt: mindestens 15 der 27 EU-Staaten müssten zustimmen und zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Ähnlich sieht es bei der Auszahlung der milliardenschweren Corona-Hilfen aus: Zwar will die Kommission in diesem Fall eine positive Empfehlung zum ungarischen Plan der Mittelverwendung abgeben, doch auch dieses Geld soll nur fließen, wenn das Land die rechtsstaatlichen Bedingungen erfüllt. Ähnlich ist die Kommission im Fall von Polen vorgegangen, deren Plan bereits Mitte des Jahres angenommen wurde.

Noch vor der Kommissionsempfehlung gaben sich Vertreter der ungarischen Regierung betont entspannt. Da man alle Versprechen umsetze, sei zu hoffen, dass im nächsten Jahr alle EU-Mittel zur Verfügung stünden, sagte der für Regionalentwicklung zuständige Minister Tibor Navracsics am Dienstag in Budapest. Unter anderem mit der Schaffung einer neuen "Integritätsbehörde" zur Überprüfung von mutmaßlichen Korruptionsfällen habe Ungarn EU-Forderungen erfüllt.

Dass die Mitgliedsländer der Empfehlung folgen, ist keinesfalls sicher. Manche ost- und südosteuropäischen Regierungen könnten sich zurückhalten, weil sie fürchten, selbst einmal wegen Korruptionsproblemen ins Visier zu geraten. Auf der anderen Seite könnte Ungarn nach dieser Strafe alle Entscheidungen blockieren, für die in der EU Einstimmigkeit erforderlich ist. Das gilt zum Beispiel für Sanktionen gegen Russland oder Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen das Nachbarland.

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