Süddeutsche Zeitung

EU-Kommission:Gleichstellung in der EU wird ausgeklammert

Lesezeit: 1 min

Eigentlich wollte sich die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen für die Gleichstellung einsetzen. Nun kommt aus Deutschland Gegenwind.

Von Daniel Brössler, Berlin

Anfang März präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Strategie zur Gleichstellung von Männern und Frauen in Europa. Damit dränge die Kommission "auf mehr und raschere Fortschritte", verkündete die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission. Teil der Strategie ist auch, dass endlich mehr Frauen in unternehmerische Führungspositionen aufsteigen. Nur in acht Prozent der größten Unternehmen in der EU stehen bisher Frauen an der Spitze.

Insofern schien es nahezuliegen, das Thema auch im Programm der am 1. Juli beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft hervorzuheben. Tatsächlich ist im Entwurf des Programms, das nächste Woche beschlossen werden soll, auch ein Kapitel der Gleichstellung von Frauen und Männern gewidmet. Die Aufgabe, Frauen in Führungsaufgaben zu stärken, steht im jüngsten Entwurf allerdings in Klammern. Darüber, bedeutet das, wird noch gestritten zwischen den Ministerien.

Und zwar ordentlich, wie aus einem vertraulichen Protokoll der Bundesregierung hervorgeht, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In der jüngsten Sitzung der für Europa zuständigen Staatssekretäre forderte demnach das CDU-geführte Wirtschaftsministerium, die Passage zu streichen, weil in der Bundesregierung angeblich Konsens herrsche, "dass diese Frage nicht auf europäischer Ebene behandelt werden solle". Das SPD-geführte Finanzministerium widersprach und warnte vor einer "Blamage", wenn die Bundesregierung hier nicht auf den Vorstoß von der Leyens eingehe. Mehrere ebenfalls SPD-geführte Ministerium liefen gegen eine Streichung der Passage Sturm. Ein Einvernehmen in der Bundesregierung, das Thema nicht europäisch zu behandeln, gebe es gar nicht, stellte das Frauenministerium klar.

Viele Mitgliedsländer erwarteten gerade von Deutschland, in dieser Frage voranzugehen. Die Strategie der EU-Kommission sieht vor, einen von ihr schon 2012 unterbreiteten Vorschlag umzusetzen. Demnach sollen "mindestens 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Mitglieder des unterrepräsentierten Geschlechts" in den Leitungsorganen von Unternehmen vertreten sein müssen. "Nur die Hälfte unserer Bevölkerung, unserer Ideen oder unserer Energie einzusetzen", betonte von der Leyen, "reicht einfach nicht aus".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4939175
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.