Süddeutsche Zeitung

Elternzeit für Abgeordnete:Verhinderte Vorbilder

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Ein Abgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern wollte anderen ein Vorbild sein und seine Vätermonate in Anspruch nehmen. Aber das Gesetz sieht Elternzeit für Volksvertreter nicht vor, das Mandat kann man nicht ruhen lassen.

Jens Schneider

Als am 12. Februar die Tochter von Mathias Brodkorb geboren wurde, stand für den Vater eines schon lange fest: Auf jeden Fall wollte sich der 33-jährige Rostocker in den ersten Lebenswochen intensiv um sein Kind kümmern. Am liebsten würde er für zwei Monate in Elternzeit gehen. Gern wollte Brodkorb dafür auf einen beachtlichen Teil seines Einkommens verzichten und sich mit dem begnügen, was nach dem Bundeselterngeldgesetz maximal vorgesehen ist, nämlich 1800 Euro im Monat.

Doch Brodkorb kann zwar gern sein Kind intensiv betreuen, aber nicht in Elternzeit gehen. Denn der junge Mann ist Abgeordneter im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2002 gehört der Sozialdemokrat dem Parlament an, er ist stellvertretender Fraktionschef.

Bereits im Januar schrieb er der Präsidentin des Landtages, dass er sich nach der Geburt seiner Tochter für zwei Monate aus dem parlamentarischen Betrieb zurückziehen werde. Und zeigte an, dass er gern das Elterngeldgesetz auf seinen Fall anwenden wollte. Er halte nämlich nichts davon, dass Politiker als Gesetzgeber einerseits durch Anreize ein stärkeres Engagement der Väter in der Erziehung fördern wollen, sich selbst dann dabei aber ausnehmen. Brodkorb wollte, wie das bei der Elternzeit möglich ist, für diese Zeit nur noch seinen Kernpflichten nachkommen. Dafür wollte er eine Absenkung der Abgeordnetenentschädigung in Kauf nehmen.

Doch die Rechtslage ist eindeutig. Das Abgeordnetengesetz und die Geschäftsordnung des Landtages sehen den Anspruch auf Elternzeit für die Abgeordneten nicht vor. Der Landtagsdirektor antwortete, dass man auf ein Landtagsmandat zwar verzichten, es aber nicht zeitweilig ruhen lassen kann. Zugleich wies er Brodkorb darauf hin, dass er als Parlamentarier generell das Recht und die Pflicht habe, an den Sitzungen des Landtages und der Ausschüsse teilzunehmen.

Diese Geschichte ist keine norddeutsche Ausnahme, sondern gilt für Volksvertreter auch auf höherer Ebene. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder - deren Haus so intensiv für die Elternzeit wirbt - kann sich in dieser Frage gar nicht als Vorbild versuchen. Denn sie darf dem Gesetze nach als Vertreterin eines Verfassungsorgans nach der Geburt ihres Kindes ebensowenig in Elternzeit gehen wie ihr Mann, der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder, oder auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, deren Tochter im Januar zur Welt kam.

Die Bundestagsverwaltung erklärt das mit Artikel 38 des Grundgesetzes, wonach die Abgeordneten eben nicht angestellt, sondern als gewählte Volksvertreter nur ihrem Gewissen verpflichtet seien und sich ihre Zeit im Prinzip selbst einteilen können. Sie müssen nicht an allen Sitzungen teilnehmen und können sich bei wichtigen Terminen auch vertreten lassen. Nur der achtwöchige Mutterschutz gilt auch für Parlamentarierinnen.

Der Rostocker Abgeordnete Brodkorb ist dennoch in Elternzeit gegangen. Er will in dieser Zeit von seinen Abgeordnetenbezügen in Höhe von 5200 Euro plus Zulagen nur 1800 Euro in Anspruch nehmen, also jenen Betrag, der ihm als Elterngeld zustünde. Den Rest spendet er für benachteiligte Kinder. Pflichttermine und wichtige Aufgaben nehme er trotzdem wahr. Brodkorb fordert aber, die Gesetze so zu ändern, dass die Abgeordneten anderen Bürgern gleichgestellt werden. Er sagt, die Regeln seien ja nicht unumstößlich, sondern auch von Abgeordneten gemacht.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2011
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