Süddeutsche Zeitung

Einigung im US-Haushaltsstreit:Obamas Triumph, Obamas Versagen

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Amerika hat den Sturz ins Schuldenchaos verhindert, doch ist das auch ein Sieg für Barack Obama? Der US-Präsident war nicht der Hauptverantwortliche für den wochenlangen Streit, doch er hat erstaunlich wenig getan, um ihn beizulegen. Das PR-Spielchen um Schuld und Unschuld hat Obama gewonnen - seiner Verantwortung als Präsident ist er nicht gerecht geworden.

Ein Kommentar von Hubert Wetzel

Als die Titanic den Eisberg rammte, war der Kapitän nicht auf der Brücke. Edward Smith hatte sich schlafen gelegt. Auch vor und nach dem Zusammenstoß erwies sich der Kommandant als recht nutzlos. Zunächst ließ er sein Schiff mit Volldampf durch den kalten Nordatlantik fahren. Während des Untergangs bestand sein einziger nennenswerter Beitrag zur Rettung seiner Passagiere dann darin, Notrufe in die Nacht funken zu lassen.

Nun ist Barack Obama nicht der Hauptverantwortliche für das Drama in Washington. Doch ein Teil der Schuld daran, dass das Staatsschiff USA in Not geriet, liegt auch beim Präsidenten. Zwar hat es Amerika durch die nächtliche Einigung gerade noch mal vermieden, die Schuldengrenze zu rammen und dadurch zahlungsunfähig zu werden. Aber die Katastrophe ist damit weiterhin nur aufgeschoben, die USA haben nur einen von vielen Eisbergen haarscharf umschifft.

Obama hatte bisher das Glück, dass seine Gegner es so toll trieben, dass seine Fehler nicht weiter auffielen. Es ist leicht, den vernünftigen, gelassenen Staatsmann zu geben, wenn man es mit betonköpfigen, selbstgerechten Nihilisten wie den Tea-Party-Parlamentariern zu tun hat. Es ist leicht, alle Verhandlungen abzulehnen, wenn die andere Seite sich wie eine irre Erpresserbande aufführt. Obama spielte das PR-Spielchen um Schuld und Unschuld sehr geschickt. Den Umfragen zufolge gewinnt er haushoch. Doch das ist nicht die vordringliche Aufgabe des Präsidenten.

Show statt Führung

Obama muss Amerika regieren. Er, nicht irgendwelche wildgewordenen Hinterbänkler, trägt die Verantwortung dafür, dass das Land funktioniert. Aus seiner Sicht mag es bedauerlich sein, dass die Verfassung ausschließlich dem Kongress das Recht gibt, der Regierung Geld zuzuteilen oder vorzuenthalten. Aber das ist seit 1788 so und wird sich so bald nicht ändern.

Der Präsident hat das Land nicht selbst in jene gefährlichen Gewässer manövriert, in denen es nun dahintreibt. Aber er hat auch erschreckend wenig getan, um die Fahrt ins Desaster, den Zusammenbruch des gesamten politischen Dialogs in Washington, aufzuhalten. Man hat von Obama in den vergangenen Wochen, in denen der Streit um den Haushalt und die Schuldengrenze stetig ausuferte, vor allem zwei Dinge gehört: die Versicherung, er werde nie und nimmer verhandeln; und abwertende Beschreibungen seiner politischen Gegner.

Die mögen sachlich zutreffend gewesen sein, einer Lösung zuträglich waren sie nicht. Zu ernsthaften Gesprächen mit den Republikanern, gar zu dem einen oder anderen Zugeständnis, wollte Obama sich nicht herablassen. Alle Treffen im Weißen Haus, alle Telefonate mit den Republikaner-Führern - Show.

Obama wollte den Kampf, und er wollte die vollständige Kapitulation seiner Gegner, aber keine Einigung. Man kann es auch so sagen: Kapitän Obama hat den Eisberg am Horizont gesehen. Er hat sich von der Brücke gemacht und das Ruder einer Horde unfähiger Heizer überlassen. Nach der Kollision hätte er dann SOS gefunkt.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2013
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