Süddeutsche Zeitung

Dresden:"Pegida hat Dresden polarisiert"

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Seit einem Jahr demonstriert der Linken-Politiker Silvio Lang gegen Pegida. Warum er trotz "Demo-Müdigkeit" nicht aufhört.

Von Paul Munzinger

Silvio Lang ist Mitglied der Linkspartei in Sachsen und Sprecher des Bündnisses Dresden Nazifrei. Seit der zweiten Anti-Pegida-Demonstration in Dresden vor einem Jahr protestiert Lang auf der Straße gegen die selbsternannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Nach einem halben Jahr Pause findet nun, anlässlich des Jahrestags des ersten Pegida-Montagsspaziergangs, wieder eine große Gegendemonstration statt.

Herr Lang, auch nach einem Jahr ist Pegida noch nicht die Luft ausgegangen - im Gegenteil: die anti-islamischen Demonstrationen verzeichnen wieder Zulauf. Bei den Gegendemonstranten scheint sich dagegen eine gewisse Resignation breitgemacht zu haben. Täuscht der Eindruck?

Wir haben das richtige Rezept, um langfristig gegen Pegida wirksam zu werden, noch nicht gefunden. Wir haben es mit Blockaden versucht, mit Protesten in Hör- und Sichtweite, mit Ignorieren. All diese Strategien haben - wenn überhaupt - nur zeitweise funktioniert, aber nicht auf Dauer. Dazu kommt, dass irgendwann alles Wichtige gesagt war: Die Leute waren mehrfach auf der Straße und haben deutlich gemacht, dass sie Pegida nicht okay finden, dass sie die rassistische Hetze nicht teilen. Irgendwann ist dann eine Demo-Müdigkeit eingezogen. Deswegen gab es seit April keine Gegendemonstrationen mehr. Im Moment braucht es große Anlässe wie den ersten Jahrestag, um viele Leute zu mobilisieren.

Wie könnte so ein langfristiges Rezept gegen Pegida aussehen?

Das ist die Schlüsselfrage, die wir für Dresden noch nicht beantworten konnten. Wie schaffen wir es, so gegen Pegida aufzutreten, dass wir die Teilnehmer nachhaltig demotivieren? Sie müssen merken, dass es keinen Sinn mehr macht, auf die Straße zu gehen. Wir müssen ihnen die Erfolgserlebnisse wegnehmen. Das haben wir noch nicht geschafft. Und wir müssen es gleichzeitig schaffen, dass die Gegendemonstranten mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass sie tatsächlich etwas gegen Pegida erreicht haben: dass sie ihnen klar gemacht haben, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.

Glauben Sie, dass sich die Pegida-Anhänger so davon abbringen lassen werden, auf die Straße zu gehen?

Zumindest kann man feststellen, dass sie ohne Widerstand nicht aufhören. Der Effekt ist vergleichbar mit großen Nazi-Demonstrationen: Wenn es gar keinen Widerstand gibt, dann fühlen sie sich ermuntert und in der Annahme bestärkt, dass sie die Vertreter der schweigenden Mehrheit wären. Man muss ihnen klar machen, dass sie nicht die schweigende Mehrheit vertreten, sondern eine Minderheitenposition. Eine Position, die gesellschaftlich geächtet gehört, weil sie rassistische Hetze auf die Straße bringt.

Es gibt jetzt eine breitere Online-Kampagne auf Twitter und Facebook, in der sich unter anderem der Rektor der Technischen Universität dazu bekennt, einer der mehr als 500 000 Dresdner zu sein, die nicht zu Pegida gehen. Reicht es denn aus, nicht zu Pegida zu gehen?

Wir würden uns das alles noch ein bisschen deutlicher wünschen, aber das sind kleine Schritte in die richtige Richtung. Auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat sich erstmals klar positioniert und dazu aufgerufen, zu den Gegendemos zu gehen. Das ist eine neue Qualität in Dresden: Es beginnt sich eine Protestkultur zu entwickeln, die es in den letzten 25 Jahren in der Stadt nicht gegeben hat.

Bürgermeister Dirk Hilbert ist andererseits nicht auf der Gegendemo heute, sondern im Urlaub.

Wir hätten uns gewünscht, dass er seinen Urlaub noch einen Tag verschiebt und heute mit auf die Straße geht. Er hat den Ernst der Lage zwar erkannt, aber sein Urlaub scheint ihm wichtiger zu sein. Hilbert ist auch immer noch schwankend in seinen Positionen. Als 60 Bürger eine Turnhalle in Dresden-Übigau blockierten, damit dort keine Asylsuchenden einziehen können, hat er nicht wie beispielsweise bei Antifa-Blockaden gegen Nazidemos die Polizei anrücken lassen. Er ist hingegangen und hat mit den Leuten geredet. Das war ein fatales Zeichen.

Stellt sich Dresden Pegida entschlossen genug entgegen?

Nein. Pegida hat die Stadt polarisiert. Es gibt die Sympathisanten und die entschiedenen Gegner, die sich zivilgesellschaftlich engagieren. Doch die Mehrheit der Dresdner hat sich noch gar nicht positioniert. Wir haben uns vorgenommen, ihnen diese Frage noch deutlicher, noch pointierter zu stellen. Soll von ihrer Stadt weiter das Bild von rassistischen Demonstrationen ausgehen, wo Journalisten und Schüler angegriffen und gewalttätige Ausschreitungen gegen Flüchtlingsheime provoziert werden? Oder stellen sich die 500 000 Dresdner, die bisher schweigen, auch mal offensiv und öffentlich gegen Pegida? Das ist der große Unterschied zu den Städten, in denen Pegida nicht funktioniert: Die Dresdner sind zum großen Teil noch nicht aufgestanden, sie haben ihren Arsch noch nicht vom Sofa hochbekommen. Sie müssen sich endlich bekennen.

Wie hat der Ruf der Stadt gelitten?

Unserem Bündnis ist der Ruf der Stadt nicht wichtig. Wir machen unser Engagement nicht davon abhängig, ob über Dresden gut oder schlecht geredet wird. Uns geht es darum, uns dem Rassismus in den Weg zu stellen. Aber wenn wir über den Ruf der Stadt reden: Man kann ganz klar feststellen, dass weniger Touristen kommen, dass Menschen wegen Pegida Übernachtungen oder Veranstaltungen absagen. Es gibt einen klar messbaren negativen Effekt für die Stadt Dresden durch Pegida.

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