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Diskussion um Verbotsverfahren:100 V-Leute sollen in der NPD schnüffeln

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Angesichts der rechten Terrorserie diskutiert die Politik ein neues NPD-Verbotsverfahren, doch offenbar tummeln sich zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Partei: Ihre Zahl soll sogar größer sein als zu der Zeit, als das erste NPD-Verbotsverfahren an den staatlichen Schnüfflern scheiterte.

In der NPD sind einem Zeitungsbericht zufolge an die hundert V-Leute des Verfassungsschutzes aktiv. Die Zahl liege heute "im oberen zweistelligen Bereich", berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger unter Berufung auf Berliner Sicherheitskreise. Diese "nennenswerte Zahl" sei in führenden Koalitionskreisen bestätigt worden, hieß es. Sie ist damit noch höher als 2003, als bis zu 15 Prozent der Mitglieder in Landes- und Bundesvorständen für den Staat spitzelten.

Ein von der damaligen rot-grünen Bundesregierung initiiertes NPD-Verbotsverfahren war seinerzeit gescheitert, nachdem bekanntgeworden war, dass die rechtsextreme Partei mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Beweismittel für die Verfassungswidrigkeit der Partei wären vor Gericht daher nicht verwendbar gewesen.

Die Debatte um einen NPD-Verbotsantrag war nach der Aufdeckung der rechtsextremen Zwickauer Zelle erneut aufgeflammt. Ein Täter-Trio soll womöglich mit Helfern für die Mordserie an neun Kleinunternehmern ausländischer Herkunft sowie den Mord an einer Polizistin in Heilbronn im Jahr 2007 verantwortlich sein.

Die Mordserie schädigt Deutschlands Ruf

Diese Verbrechen sind nach Auffassung des Wirtschaftsforschers Thomas Straubhaar image- und rufschädigend für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Deutschland werde von potentiellen Zuwanderern im Zuge der aktuellen Nachrichten kritischer gesehen, sagte der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) der Neuen Osnabrücker Zeitung. Es gebe gerade bei Menschen aus anderen Kulturkreisen sowie mit anderer Hautfarbe eine Furcht vor Übergriffen, die sich der um Fachkräfte werbende Wirtschaftsstandort nicht leisten könne.

Langfristig sei die Außenwirkung der Mordserie besorgniserregend. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe unmissverständlich klargemacht, dass sie persönlich alles daran setze, damit die Fälle geklärt werden. Es sei gut, dass dies unisono alle Parteien unterstützt hätten.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wies nach den Pannen bei der Fahndung nach den rechtsextremen Gewalttätern indes Vorwürfe zurück, der Staat sei auf dem rechten Auge blind gewesen. Er gebe aber zu, man habe sich bis vor wenigen Tagen nicht vorstellen können, dass es tatsächlich terroristische Organisationen geben könnte, die mordend durchs Land laufen, sagte Friedrich in der ARD. Er bekräftigte seinen Vorschlag, eine zentrale Neonazi-Datei und eine Art Terrorabwehrzentrum einzurichten.

Friedrichs Idee wird von der Opposition und auch beim Koalitionspartner FDP skeptisch aufgenommen.

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