Süddeutsche Zeitung

TV-Debatte der US-Demokraten:Biden verliert den Anschluss

Lesezeit: 4 min

Von Thorsten Denkler, New York

Nach nur wenigen Minuten geraten die Kandidaten zum ersten Mal aneinander. Es geht um Erfahrung, um Geld, um Konzepte, um die Fähigkeit, Donald Trump zu schlagen. Alle Unterschiede zwischen den Demokraten kommen in dieser TV-Debatte in Manchester, New Hampshire, auf den Tisch. Für die meisten Kandidaten geht es um viel, für manche um alles.

Die TV-Debatte an diesem Freitag ist traditionell eine der wichtigsten im Debatten-Kalender der Demokraten. Direkt nach der Vorwahl in Iowa und kurz vor der zweiten Vorwahl am kommenden Dienstag in New Hampshire, haben die Kandidaten hier Gelegenheit, Siege zu verteidigen oder Niederlagen unbedeutend erscheinen zu lassen.

Die Vorwahlen in Iowa haben zudem immer wieder Überraschungen hervorgebracht. 2012 war es Barack Obama, der hier gewonnen hat. 2016 hat Bernie Sanders nur sehr, sehr knapp hinter Hillary Clinton gelegen. Diesmal ist es Pete Buttigieg, der in Iowa zusammen mit Sanders gewonnen hat - was ihm vor einem Jahr kaum jemand zugetraut hätte.

Iowa hat das Rennen somit plötzlich zu einem zwischen Sanders und Buttigieg gemacht, zu einem Rennen zwischen dem linken Senator aus Vermont und dem jungen Irak-Kriegsveteranen Buttigieg, der bis vor wenigen Wochen noch Bürgermeister von South Bend in Indiana war. Beide haben nach Umfragen beste Chancen auch New Hampshire zu gewinnen. Nur wollen sie sich den Sieg sicher nicht noch einmal teilen müssen. Die TV-Debatte soll ihnen dabei helfen.

Joe Biden hingegen, Vize-Präsident unter Barack Obama und landesweit immer noch der Frontrunner der Demokraten, musste sich mit einem enttäuschenden vierten Platz begnügen. Er muss jetzt aufpassen, dass seine erwartete zweite Niederlage in Folge nicht zu heftig wird, dass Sanders und Buttigieg nicht irgendwann uneinholbar für ihn werden.

Biden hat die schwierigste Aufgabe an diesem Abend. Seine Kampagne verliert langsam aber stetig an Zustimmung. Iowa war ein herber Rückschlag. Darum versucht er hier so aggressiv aufzutreten, wie wohl in keiner anderen Debatte zuvor. Es verfängt nur nicht. Sanders greift er etwas umständlich für seine Idee einer Krankenversicherung für alle an. "Stellen Sie sich vor, sie gehen in den Kongress und sagen, 'Ich habe hier ein Gesetz. Es soll Krankenversicherung für alle garantieren. Ich weiß nicht, was das kosten wird. Aber das werden wir dann ja sehen.' Wer glauben Sie, wird so einem Gesetz zustimmen?", fragt Biden. Da hat er die Hälfte des Publikums schon verloren.

Und plötzlich steht der ganze Saal

Verliert er in New Hampshire wieder so deutlich, dann wird das seine Kampagne auch in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Er nimmt als landesweiter Frontrunner ungewöhnlich wenig Geld ein, während etwa Sanders mit Kleinspenden überschüttet wird. Das wird nicht besser, wenn Biden in New Hampshire einen hoffnungslosen Eindruck hinterlässt.

Bidens bester Moment war, als er das Publikum aufforderte, aufzustehen, um Alexander Vindman die Ehre zu erweisen. Vindman ist an diesem Freitag von Trump als Mitarbeiter im Weißen Haus gefeuert worden, weil der gegen ihn im Impeachment-Verfahren ausgesagt hat. Tatsächlich steht jetzt der ganze Saal. "Das ist, wer wir sind", ruft Biden unter Applaus. So viel Zustimmung hat Biden lange nicht mehr bekommen.

Bernie Sanders hingegen reicht es vollkommen, seine Punkte zu machen, wie er sie immer macht. Mit Enthusiasmus und mit der richtigen Portion Wut im Bauch. Was er verspricht, drüber redet er seit Jahren. Er ist das Original, wenn es um progressive Politik geht. Jetzt zahlt es sich aus.

Ein ganz anderes Problem hatte an diesem Abend Pete Buttigieg, allerdings ein Luxusproblem. Sein Erfolg hat die anderen Kandidaten aufgeschreckt. Er ist jung, sympathisch, kann reden. Lange Zeit hatte er nur Maskottchen-Status unter den Kandidaten. Das ist vorbei, jetzt wird er ernst genommen und von allen Seiten angegriffen.

Buttigieg kontert souverän. Er nimmt Geld von Milliardären, um seinen Wahlkampf zu finanzieren? "Wir brauchen jede Unterstützung, um gegen Trump zu gewinnen", sagt er. Außerdem sei er der einzige Nicht-Millionär auf der Bühne. Was auch gegen Sanders geht, der durchaus wohlhabend ist. Buttigieg habe zu wenig Erfahrung in Washington? Er münzt das in einen großen Vorteil um. Er kann mit frischen Ideen ins Weiße Haus einziehen. Anders als Biden und die meisten seiner Mitkandidaten sei er eben kein "Washington Insider". Was auch in manchen demokratischen Kreisen einer veritablen Beleidigung gleichkommt.

Klobuchar kriegt Buttigieg kurz zu fassen

Buttigieg dürfte zudem im Hinterkopf haben, dass das Argument, zu wenig Erfahrung zu haben, schon Trump nicht gehindert hat, gegen Hillary Clinton zu gewinnen. Und ähnlich wie Trump präsentiert er sich als Außenseiter, als Nicht-Politiker, um die Vorwahlen der Demokraten zu gewinnen. Ein kleiner, junger, Ex-Bürgermeister gegen den Rest der Welt.

Senatorin Amy Klobuchar, in Iowa kam sie auf 12,3 Prozent, kriegt Buttigieg da kurz zu fassen. Es reiche nicht, sich als "cooler Newcomer" zu präsentieren und die harte Arbeit, die in Washington gemacht werde, kleinzureden. Das sei zu einfach. "Wir haben schon einen Newcomer im Weißen Haus. Seht, wo uns das hingeführt hat." Sie bekommt viel Applaus für diesen Satz.

Elizabeth Warren wiederum, Senatorin aus Massachusetts, die in Iowa einen respektablen dritten Platz eingefahren hat, muss daraus in dieser Debatte ein neues Momentum für sich generieren. Und vor allem endlich aus dem Schatten von Sanders treten, mit dem sie inhaltlich praktisch auf gleicher Linie liegt. Es gelingt ihr nicht. Sie haftet an einstudierten Verschnitten aus ihren Wahlkampfreden, lässt sich kaum auf spontane Debatten ein. Inhaltlich macht sie ihre Punkte gegen Korruption, gegen das große Geld, für eine Krankenversicherung für alle. Ihr Profil aber schärft sie nicht.

Auf die Bühne haben es der Unternehmer Andrew Yang und der Multimilliardär Tom Steyer geschafft. Für die beiden dürfte es eine der letzten Gelegenheiten gewesen sein, nationale Aufmerksamkeit zu bekommen. Iowa gewinnen oder verlieren ist das eine. In New Hampshire aber muss ein Erfolg ausgebaut oder eine zweite Niederlage verhindert werden. Im brutalen Ausscheidungssystem der US-Vorwahlen ist das jetzt überlebenswichtig.

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