Süddeutsche Zeitung

Dreikönigstreffen der Liberalen:FDP-Chef Lindner will mit "maßvollen Einschränkungen" auf Omikron-Welle reagieren

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Der Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister spricht sich in Stuttgart gegen harte Einschnitte aus und zeigt sich mit Blick auf die Debatte über eine Corona-Impfpflicht selbst noch unentschieden.

Von Jens Schneider

Die Ampelkoalition soll nach den Vorstellungen der FDP auf die befürchtete fünfte Corona-Welle mit "maßvollen Einschränkungen" reagieren. Der Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner sprach sich beim virtuell und ohne Publikum übertragenen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart dafür aus, sich mit "Vorsicht und Aufmerksamkeit" auf den Anstieg durch die Omikron-Variante einzustellen. Es sei zu befürchten, dass die Infektionszahlen sich wie in den europäischen Nachbarländern binnen kurzem drastisch erhöhen werden, sagte Lindner. "Für uns Freie Demokraten bleibt das Ziel, mit maßvollen Kontaktbeschränkungen und einer großen Anstrengung beim Impfen und bei der Auffrischung von Impfungen Lockdowns und Schließungen von Schulen, von Betrieben weitgehend zu verhindern."

Er teile die Sorge vieler Menschen angesichts der Pandemie-Entwicklung, sagte Lindner. Zugleich sehe die FDP aber auch, dass viele Menschen Angst vor Vereinsamung hätten, sich um die Bildungschancen ihrer Kinder sorgten oder um ihre wirtschaftliche Existenz fürchteten. Seine Partei wolle bei einem "konsequenten Gesundheitsschutz alles tun, so viel gesellschaftliches Leben wie möglich zu erhalten."

Die neue Bundesregierung unter Beteiligung der FDP hat laut Lindner bereits eine andere Krisenstrategie im Umgang mit der Pandemie geprägt. So gebe es anders als zuvor "keine pauschalen flächendeckenden Schließungen und keinen Lockdown". Die Regierung setze auf maßvolle Beschränkungen und habe zudem die "erfolgreichste Impfbooster-Kampagne Europas" auf den Weg gebracht, so der FDP-Chef. Mit Blick auf die Debatte über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht nannte Lindner es angesichts der Schwere der Entscheidung "nur nachvollziehbar, dass es unterschiedliche Abwägungen in der FDP dazu gibt". Er bezeichnete es auch deshalb als wichtig, dass es zu dieser grundsätzlichen Frage eine offene, nicht fraktionsgebundene Debatte und Abstimmung im Bundestag geben solle. Eine Impfpflicht bezeichnete er als empfindlichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen, über das zu Recht ohne Parteilinien entschieden werden müsse.

Zur Impfpflicht äußert sich Lindner unentschlossen - wie seine Partei

"Ich halte das auch für einen Beitrag zur Versöhnung der Gesellschaft", sagte Lindner. In der FDP ist die Einführung der Impfpflicht umstritten. Mehrere Abgeordnete, darunter der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, haben bereits einen Gruppenantrag angekündigt, in dem sie sich dagegen aussprechen. Lindner sagte nach seiner Rede im Sender Phoenix, dass er nicht mehr prinzipiell gegen eine allgemeine Impfpflicht sei, aber auch noch nicht eindeutig dafür. Es komme auf den Inhalt der Gruppenanträge im Bundestag und auch die weitere Entwicklung der Infektionslage an. Man könne aufgrund der Lageentwicklung rund um die Omikron-Variante des Coronavirus gegenwärtig noch nicht entscheiden.

Das Dreikönigstreffen fand wegen der aktuellen Pandemielage ohne Publikum statt, die Reden wurden aus der Staatsoper in Stuttgart übertragen. Lindner forderte außerdem eine neue Einwanderungspolitik. "Viel zu lange hat Deutschland sich der Realität einer Einwanderungsgesellschaft nicht gestellt", sagte Lindner mit Blick auf die Migrationspolitik. Die vorherigen Regierungen hätten Rudimente einer Einwanderungspolitik hinterlassen. Derzeit würden einerseits oft "die Falschen" abgeschoben, nämlich Menschen, die sich bereits auf den Weg gemacht hätten, integriert zu werden. Auf der anderen Seite würden Straftäter oder Gefährder oft nicht in ihr Herkunftsland nach Hause geschickt.

Der FDP-Chef forderte deshalb einen schnellen Abschluss von Rückführungsabkommen mit wichtigen Herkunftsländern von Asylsuchenden. "Ich weiß, dass viele die Erwartungen haben, dass sich insbesondere bei der humanitären Zuwanderung nach Deutschland viel tut", sagte er. Es müsse aber klar sein, dass diese Bereitschaft zu mehr humanitärer Verantwortung "untrennbar verbunden bleiben muss damit, dass Deutschland tragfähige und in der Praxis funktionierende Rückführungs- und Migrationsabkommen mit anderen Staaten schließt."

Den Nachtragshaushalt der Ampelkoalition in Höhe von 60 Milliarden Euro bezeichnete er als ein kraftvolles Signal der Handlungsfähigkeit. "Nicht nur wir als Menschen brauchen einen Booster, sondern auch die Wirtschaftliche Entwicklung", sagte er. Zugleich bestand der FDP-Chef darauf, dass wie geplant zum Jahr 2023 die Rückkehr zu den Regeln der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse umgesetzt werden müsse. Es sei wichtig, schnell zu einer Solidität der öffentlichen Finanzen zurückzukehren.

Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise stellte der Bundesfinanzminister sozial schwächeren Menschen finanzielle Hilfen in Aussicht. Es solle eine "solidarische Unterstützung der Menschen, die besonders betroffen sind von den gestiegenen Kosten beim Heizen" geben, kündigte Lindner an.

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