Süddeutsche Zeitung

CDU-Vorsitz:So stellen sich die Kandidaten der Basis vor

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Von Nico Fried, Berlin

An der Begrüßung ist vielleicht eine kleine Tendenz abzulesen. Annegret Kramp-Karrenbauer erhält starken Applaus, auch einige Bravo-Rufe. Steht da schon ein wenig Sorge im Gesicht von Friedrich Merz? Wie wird die Basis ihn begrüßen - nach so langer Abwesenheit? Auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende erhält starken Applaus, allerdings klingen die Stimmen, die für ihn Bravo rufen, deutlich tiefer. Jens Spahn wird ebenfalls freundlich begrüßt. Ohne Bravo-Rufe.

Es ist die erste von acht Regionalkonferenzen der Christdemokraten. Die Kandidaten für die Nachfolge Angela Merkels stellen sich am Donnerstagabend der Basis vor - und finden jedenfalls zum Auftakt in Lübeck starken Zulauf. Die ersten Parteimitglieder sind schon zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung gekommen, um sich gute Plätze zu sichern. Gut 800 Leute drängen sich schließlich in einer ehemaligen Werfthalle, die heute als Kulturzentrum dient. Hier ist zu sehen, wie man in ein altes Gemäuer neues Leben bringen kann. Genau das versucht auch die CDU. Das Motto in der Kulisse lautet: "Demokratie erleben. Zukunft gestalten."

"Die Partei lebt, sie will diskutieren", sagt auch Kramp-Karrenbauer. Sie darf als Erste reden, so wurde es ausgelost. Sie hat keinen Knaller vorbereitet, um schnell Stimmung zu machen. Sie braucht etwas Anlauf, den ersten Beifall für ihre Rede bekommt sie nach etwa zwei Minuten. Die innere Sicherheit ist ihr erstes Thema. So werden es auch die anderen machen. Und alle drei verbinden dieses Thema mehr oder weniger deutlich mit der Migration.

"Seit dem Herbst 2015 haben viele Menschen Zweifel, ob wir noch die Partei sind, die dafür sorgt, dass Recht und Gesetz hier gelten", sagt Kramp-Karrenbauer. Der Herbst 2015 ist die Chiffre für die Flüchtlingspolitik. Merz sagt, innere Sicherheit erfordere die Sicherung der Außengrenzen. Das ist die Gelegenheit, die Spahn gleich mal für einen ziemlich entschlossenen Nadelstich gegen den Rückkehrer nützt: Er freue sich, dass Merz wieder dabei sei und auch darüber, seine Worte zur Grenzsicherung zu hören, sagt Spahn. "Ich hätte mir gewünscht, Sie wären auch 2015 da gewesen und hätten das auch da gesagt." Raunen im Saal.

Es ist gut zu sehen, dass Kramp-Karrenbauer die Skepsis in der Partei gegenüber der Flüchtlingspolitik aufnehmen will, ohne diese Politik zu verraten. Sie schlägt vor, die CDU solle im Frühjahr "endgültig klären: Wie beurteilen wir den Herbst 2015? Was lernen wir daraus?" So will Kramp-Karrenbauer verhindern, dass die Diskussion um die Vergangenheit die CDU auf Jahre hinaus lähmt - so wie die Debatte um die Agenda 2010 die SPD.

Friedrich Merz wiederum ist bemüht, dem Verdacht entgegenzutreten, er könne nicht gut mit Angela Merkel. Er äußert - nicht zum ersten Mal - Respekt für ihre 18 Jahre an der Parteispitze. Und als Beispiel, wie man in der Union nicht mehr miteinander umgehen solle, nennt er die Art, wie Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag im November 2015 Merkel abkanzelte.

Als das Publikum seine Fragen stellt, geht es um Mittelstandsförderung und Steuerpolitik, um bezahlbare Wohnungen und Digitalisierung. Merz spricht in größeren Bögen, benennt einige Probleme, bleibt aber eher allgemein: "Da müssen wir neu denken", sagt er zum Beispiel. Kramp-Karrenbauer redet kleinteiliger, dafür konkreter: Förderung erleichtern, Bürokratie abbauen, man merkt die Erfahrung der Ministerpräsidentin. Spahn erzählt aus seinem Leben als Gesundheitsminister. Er ist von den Dreien derzeit der Einzige mit einem Regierungsamt. Aber er erzählt auch von seinen Besuchen zu Hause, von Gesprächen mit der Mutter und mit dem Direktor seiner alten Schule. Nicht abgehoben wirken. Auch Spahn versucht, eher konkrete Vorschläge zu machen: zum Beispiel die Abschaffung der Grunderwerbsteuer bei erstmaligem Immobilienkauf.

Es ist eine muntere Diskussion, wenn auch nicht immer kontrovers. Alle wollen die Bundeswehr besser ausstatten, aber auch Steuern senken und einige Wohltaten mehr. Es ist Merz, der an begrenzte Spielräume erinnert. "Da müssen wir die Tassen im Schrank lassen." Es ist eine Pointe zu seinen Gunsten. Aber einen klaren Sieger erlebt dieser erste Abend nicht.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2018
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