Süddeutsche Zeitung

CDU/CSU und Griechenland:311 Abgeordnete in unbequemer Lage

Lesezeit: 3 min

Von Robert Roßmann, Berlin

Wie wichtig Wolfgang Schäuble für die Kanzlerin ist, zeigt sich in diesen Tagen besonders. Der Finanzminister gilt nicht völlig zu Unrecht als bad guy in den Verhandlungen mit Griechenland. Kaum einer äußert sich so hart über die Syriza-Regierung wie Schäuble. Auch deshalb genießt der Finanzminister bei seinen Parteifreunden hohes Ansehen. Ihm nehmen sie ab, gegen vorschnelle Kompromisse mit Athen zu sein. Bei der Kanzlerin sind sich da nicht alle so sicher.

In der Unionsfraktion gibt es wegen der möglichen neuen Hilfen für Griechenland erhebliche Unruhe. Die ersten Abgeordneten haben bereits erklärt, bei etwaigen Abstimmungen im Bundestag mit Nein stimmen zu wollen. Schon beim bisher letzten Griechenland-Votum Ende Februar hatten 32 Unionsabgeordnete ihrer Regierung die Zustimmung verweigert. Mehr als hundert gaben persönliche Erklärungen ab, in denen sie mitteilten, warum sie noch einmal mit Ja gestimmt haben, obwohl sie eigentlich lieber mit Nein votiert hätten. Mit einem Widerstand in dieser Größenordnung hatte es die Kanzlerin in ihrer zehnjährigen Amtszeit selten zu tun.

Protestbriefe gegen neue Hilfen für Athen

Am Dienstagnachmittag kam nun die Unionsfraktion zu einer Sitzung zusammen, der ersten seit der Zuspitzung der Griechenland-Verhandlungen. Und es war Schäuble, der die Gemüter beruhigte. "Lassen Sie sich jetzt nicht verrückt machen", appellierte der Minister an die Unionsabgeordneten - und bezog sich damit auf die täglichen Wasserstandsmeldungen über den angeblichen Stand der Gespräche mit Athen. Die Bundeskanzlerin gebe sich alle Mühe, die Griechen zur Einsicht zu bringen, beteuerte Schäuble. Bisher habe das noch nichts gefruchtet. Es sei aber weiterhin an Griechenland, seinen Verpflichtungen gerecht zu werden. Angela Merkel konnte es da bei der Bemerkung belassen, sie habe den Ausführungen Schäubles nichts mehr hinzuzufügen.

In der Sitzung der Unionsfraktion blieb es daraufhin ruhig. Aufwallungen wegen der Griechenland-Gespräche, die manche erwartet hatten, blieben aus.

Die 311 Unionsabgeordneten sind in einer ziemlich unkommoden Lage. In ihren Wahlkreisen schlägt ihnen der Unmut über die griechische Regierung entgegen. Auch in der Stelle für Bürgerkommunikation der Fraktion stapeln sich die Protestbriefe gegen mögliche neue Hilfen für Athen. Aber die Abgeordneten können sich dazu bisher nicht verhalten. Sie wissen ja noch gar nicht, wie die Verhandlungen mit Griechenland ausgehen und was am Ende im Bundestag zur Abstimmung stehen wird - bisher ist noch nicht einmal klar, ob es überhaupt zu einer Verständigung mit Athen kommen wird. Vor allem aber fühlen sich die Abgeordneten wegen übergeordneter Erwägungen nicht richtig frei.

Merkel verweist auf größere Probleme in der Welt

Es gibt zwar keine belastbaren Zahlen, aber man tut der Unionsfraktion bestimmt nicht unrecht, wenn man behauptet, dass die Mehrheit der Abgeordneten der Syriza-Regierung am liebsten keinen einzigen Schritt mehr entgegenkommen will. Die Argumente des Kanzleramts können die meisten aber auch nicht leichtfertig vom Tisch wischen. Merkels Leute verweisen ohne Unterlass auf die anderen, noch viel größeren Probleme: den Krieg in der Ukraine und das eisige Verhältnis zu Russland, die Lage im Nahen Osten und die Mörder vom IS, die gewaltigen Flüchtlingsbewegungen - oder die schwierige Lage in der Türkei. Kann man angesichts dessen ein Abdriften Griechenlands in Kauf nehmen, werden die Abgeordneten gefragt. Könne sich Europa in so einer Situation ein Auseinanderfallen erlauben? Und: Würde Griechenland die anderen Europäer denn nicht auch nach einem Grexit viele Milliarden Euro kosten? Schließlich bliebe das Land ja auch in diesem Fall Mitglied der Europäischen Union - und die EU würde es sich kaum erlauben können, sozialen Verwerfungen in dem Land einfach zuzusehen.

Das sind die Argumente, mit denen Merkels Leute gerade um die Stimmen der Zweifler werben. Stand jetzt dürften sie damit am Ende Erfolg haben. Vermutlich würde es bei einer Abstimmung deutlich mehr Abweichler als beim letzten Mal geben. Bisher glaubt aber niemand, dass die Mehrheit der Unionsfraktion Merkel die Gefolgschaft verweigern könnte. Das liegt allerdings auch daran, dass die CDU im Gegensatz zur SPD im Zweifel immer die eigene Regierung stützt, zumindest solange diese erfolgreich ist. Langfristig machen sich einige aber doch Sorgen um die Kanzlerin. Wegen der NSA-Affäre gibt es bereits einige Haarrisse in ihrer Glaubwürdigkeit. Eine weitere Unterstützung Griechenlands könnte diese Risse - angesichts des erheblichen Widerstands bei den eigenen Wählern gegen solche Hilfen - deutlich vergrößern.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2015
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