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Bundesverfassungsgericht:Generelles Verbot von Windrädern im Wald ist verfassungswidrig

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Thüringer Waldbesitzer legten Beschwerde ein, Karlsruhe gibt ihnen recht: Ein Windkraft-Tabu in Waldgebieten darf es nicht geben. Die Entscheidung ist bedeutend.

Die Bundesländer dürfen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Windräder im Wald nicht generell verbieten. Ein Windkraft-Tabu in Forstgebieten sei "mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig", geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung der Karlsruher Richter hervor. Der Richterspruch war nötig geworden, weil private Waldbesitzer gegen einen Verbotspassus im Ende 2020 geänderten Thüringer Waldgesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten. Sie wollten Waldflächen, die durch den Borkenkäfer schwer geschädigt waren, roden und für die Windkraft nutzen. Dem stand das Thüringer Waldgesetz entgegen.

Der Karlsruher Beschluss hat Signalwirkung, denn auch andere Bundesländer verbieten Windkraftanlagen in Forstgebieten. In einer Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom August heißt es: "Die Nutzung von Waldstandorten für die Windenergie ist derzeit in sechs Bundesländern zulässig: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie im Saarland." In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sei sie eingeschränkt möglich. Die meisten Windkraftanlagen im Wald stehen laut Klimaschutzministerium in Mainz in Rheinland-Pfalz: 475.

Thüringens Umweltministerin begrüßt das Urteil

Das Verfassungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass ein totales Windkraftverbot in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht von Waldbesitzern eingreife. Zudem fehle es dem Freistaat Thüringen an der Gesetzgebungskompetenz für ein solches Verbot, weil der Bund in diesem Bereich ebenfalls gesetzliche Regelungen getroffen habe. Genannt wird das Bodenrecht.

Bundesländer könnten mit ihrer Gesetzgebungskompetenz Waldgebiete für Naturschutz und Landschaftspflege unter Schutz stellen, sofern sie wegen ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder Schönheit schutzwürdig seien. Ein genereller Schutzbedarf nach unbebauter Natur und Landschaft reiche hierfür nicht aus. In der Regel sind für Windräder Standorte vorgesehen, die nach Borkenkäferbefall, Trockenheit und Stürmen stark geschädigt oder bereits baumlos sind - sogenannte Kalamitätsflächen.

Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) begrüßte das Urteil. Es löse eine Blockade, "die uns bei der Energiewende zu lange unnötig aufgehalten hat". Sie fügte hinzu: "Wir müssen das Waldgesetz jetzt schnellstmöglich ändern." Die Regelung war vor zwei Jahren vor allem auf Drängen der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion ins Gesetz geschrieben worden, quasi als Kompromiss, weil Bodo Ramelows rot-rot-grüne Minderheitskoalition auf CDU-Stimmen beim Haushalt angewiesen war.

Die Entscheidung der Verfassungsrichter ist mit Blick auf das neue Bundesgesetz "Wind-an-Land-Gesetz" bedeutsam. Danach müssen bis Ende 2032 zwei Prozent der bundesweiten Landfläche für die Windenergie ausgewiesen werden. Laut Bundesregierung sind es bislang aber erst 0,8 Prozent - und nur 0,5 Prozent seien tatsächlich verfügbar. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Bundesländer kürzlich zu größeren Anstrengungen aufgefordert: "Es gibt derzeit zu wenig realisierungsfähige Projekte." Nach Meinung von Fachleuten könnte der Richterspruch aus Karlsruhe zu mehr Tempo beim schleppenden Windkraftausbau in Deutschland beitragen.

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