Süddeutsche Zeitung

Kabinettsklausur:Zweifel unerwünscht

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Von Nico Fried, Meseberg

"Vor uns liegt viel Arbeit", sagt die Bundeskanzlerin. Der Vizekanzler befindet, die Kabinettsklausur in Schloss Meseberg sei eine wichtige Tagung zur Hälfte der Legislaturperiode gewesen, "in der wir uns mit wichtigen Zukunftsfragen beschäftigt haben". Angela Merkel und Olaf Scholz ließen keine Zweifel daran aufkommen, dass zumindest sie beide die große Koalition fortsetzen wollen und nicht allzu viel über ein vorzeitiges Ende grübeln. Die Klausur habe in "konstruktivem Arbeitsklima" stattgefunden, so Scholz. "Da kann man was hinkriegen." Nur, was genau?

Wie sich Bilder und Worte ähneln. Im Mai 2016 standen am selben Ort Angela Merkel und ihr damaliger Vizekanzler Sigmar Gabriel und berichteten, wie nun Merkel und Scholz dreieinhalb Jahre später, von einer Klausur der Bundesregierung, auf der man intensiv über die Digitalisierung gesprochen habe. Damals kam als Experte der estnische Ministerpräsident, diesmal waren es Fachleute aus Afrika. Schon 2016 ging es, wie Merkel seinerzeit berichtete, um die Frage: "Was ist geschehen und was muss noch geschehen mit Blick auf die Infrastruktur?" Dreieinhalb Jahre später waren die Mängel in der Infrastruktur immer noch ein wichtiges Thema.

So will die Bundesregierung nun verstärkt gegen Funklöcher vorgehen. Dafür beschloss das Kabinett bereits am Sonntag, 5000 zusätzliche Mobilfunkmasten aufstellen zu lassen. Damit soll nach Angaben des fürs Digitale zuständigen Ministers Andreas Scheuer (CSU) eine Abdeckung von 99,95 Prozent der Haushalte und eine Flächenabdeckung von 97,5 Prozent erreicht werden. Nach Angaben von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) liegt die Abdeckung derzeit deutlich darunter. Das führe zum Beispiel beim Autofahren immer wieder zum Abbruch der Telefonverbindung - sehr zum Ärger der betroffenen Menschen. Braun versprach, dass es in den nächsten zwei Jahren eine grundlegende Verbesserung in der Dichte des Mobilfunknetzes geben werde, auch in dünn besiedelten Regionen.

Die Kosten für die zusätzlichen Masten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro sollen aus den Einnahmen bestritten werden, die bei der Versteigerung der 5G-Lizenzen in die Kasse kamen. Daran hatte es Kritik gegeben, weil das Geld nun für den Ausbau des 4G-Netzes genutzt werde. Die Kanzlerin wies das zurück: Man brauche das 4G-Netz, "um dann 5G ausrollen zu können", so Merkel. "Das dient dem gleichen Prozess." Scholz sagte mit Blick auf die mangelhafte Flächenabdeckung durch die Anbieter im 4G-Netz, man könne als Staat "nicht einfach zuschauen, wie die Dinge nicht richtig vorangehen".

Scholz verwies auf ein "Allzeit-Hoch" bei den Investitionen

Das Kabinett beschloss auch die Umsetzung von Vorhaben, die im Zuge des Kompromisses über die Grundrente mitverhandelt worden waren. So sollen nun Bezieher von Betriebsrenten bei den Krankenversicherungsbeiträgen entlastet werden. Die sogenannte Doppelverbeitragung, durch die Bezieher von Betriebsrenten seit 2004 auch den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung übernehmen müssen, galt in Union und SPD als stetes Ärgernis, über das sich auch viele Bürger bei ihren Abgeordneten beschwerten.

Ab 1. Januar 2020 soll nun ein Freibetrag von 159,25 Euro gelten. Erst ab dieser Höhe werden Krankenkassenbeiträge auf die Betriebsrente fällig. Wer eine Betriebsrente von 318 Euro bezieht, was dem Doppelten des Freibetrags entspricht, muss folglich künftig den halben Krankenkassenbeitrag bezahlen. Da 60 Prozent der Betriebsrentner weniger als 318 Euro erhalten, müssen sie künftig höchstens den halben Satz bezahlen - so wie Arbeitnehmer auch. Vizekanzler Scholz sprach von einem "ganz, ganz großen Fortschritt".

Merkel und Scholz reagierten auf Nachfrage zurückhaltend auf die vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gemeinsam erhobene Forderung nach einem Investitionspaket von 450 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. "Wir haben ein Hoch an Investitionen, wie wir es seit Jahren nicht hatten", sagte Merkel. Es mangele derzeit nicht an Geld, sondern an schnellen Planungsprozessen. Auch Scholz verwies auf ein "Allzeit-Hoch" bei den Investitionen, das auf zehn Jahre gerechnet 400 Milliarden Euro betrage. Zudem werde das Klimapaket weitere 150 Milliarden Euro Investitionen auslösen. Deshalb betrachte er die Ausführungen von BDI und DGB weniger als Forderung, sondern "mehr als Unterstützung unserer expansiven Geldpolitik", so Scholz.

Im Mai 2016 wurden Gabriel und Merkel nach einer Fortsetzung der großen Koalition über die nächste Bundestagswahl hinaus gefragt. Diese Frage wurde diesmal nicht mehr gestellt. Das war dann doch ein wichtiger Unterschied.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2019
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