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Bundesfinanzen:Lindner verhängt Haushaltssperre für alle künftigen Ausgaben

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Als Reaktion auf das Urteil aus Karlsruhe weist der Finanzminister die Kabinettsmitglieder an, keine Zahlungsverpflichtungen mehr einzugehen, die in die Zukunft gerichtet sind. Aus der SPD gibt es Zustimmung - auch Habecks Wirtschaftsministerium spricht von einem "richtigen Schritt".

Die Bundesregierung schätzt die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds offenbar ernster ein als bisher angenommen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) weitet die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfügte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten aktuellen Etat also jenen des Jahres 2023 aus. Dies geht aus einem Schreiben von Lindners Staatssekretär Werner Gatzer hervor, das der SZ vorliegt und über das zuerst die Nachrichtenagentur Reuters berichtet hatte.

Konkret geht es um sogenannte Verpflichtungsermächtigungen. Eine Verpflichtungsermächtigung erlaubt einer Verwaltung, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben. Das ist nun im Etat von 2023 nicht mehr möglich.

In Gatzers Schreiben heißt es: "Um weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre zu vermeiden, beabsichtige ich daher, alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung zu sperren." Gatzer verweist auf Paragraf 41 der Bundeshaushaltsordnung, der eine Haushaltssperre regelt. Mit den genannten Einzelplänen sind die Etats sämtlicher Ministerien betroffen. Außerdem sind im Einzelplan 60 ressortübergreifende Ausgaben wie der Klima- und Transformationsfonds und der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm zur Dämpfung der Energiepreise angesiedelt. Ausgenommen von der Sperre sind lediglich Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.

Aus Kreisen des Finanzministeriums wird jedoch betont, dass die Maßnahme sind nicht auf aktuelle Ausgaben in diesem Jahr auswirkt. "Bestehende Verbindlichkeiten werden weiter eingehalten, es dürfen nur keine neuen eingegangen werden", heißt es.

Aus Regierungskreisen wurde Reuters zufolge ergänzend deutlich gemacht, dass es sich nicht um einen Alleingang von Lindner handele: "Es ist abgesprochen und sinnvoll", zitiert Reuters eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Dem Spiegel sagte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller: "Das würde jede Stadt und Gemeinde auch so machen müssen."

Auch eine Sprecherin des von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsministerium sagte am Dienstagmorgen: "Das ist in der jetzigen Situation richtig". Damit würden weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre vermieden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung am Mittwoch 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun. Hinzu kommen weitere Klarstellungen des Gerichts zur Schuldenbremse im Grundgesetz und zur Rechtmäßigkeit von Krediten, die auch Folgen für den laufenden Haushalt 2023 und den geplanten Haushalt 2024 haben könnten.

Lindner hatte noch am Tag der Urteilsverkündung eine Haushaltssperre nur für den Klimafonds verfügen lassen. Nun wird diese erste Notmaßnahme ergänzt und ausgeweitet. Aufgrund des Urteils ergebe sich "für den Bundeshaushalt die Notwendigkeit der Überprüfung der haushaltswirtschaftlichen Gesamtlage", schreibt Gatzer.

Der Staatssekretär lässt bei der Haushaltssperre außerdem eine Hintertür offen. Gatzer schreibt: Eine nach der Haushaltssperre von den Ministerien "begehrte Freigabe von Verpflichtungsermächtigungen (...) in besonderen Einzelfällen kann ich allenfalls im Falle eines schriftlich dargelegten sachlich und zeitlich unabweisbaren Bedarfs in Aussicht stellen". Es werde dabei "ein besonders strenger Maßstab an den Nachweis eines solchen Bedarfs angelegt". Es ist also eine sehr kleine Hintertür.

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SZ/Reuters/jael/lalse
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