Süddeutsche Zeitung

Wahlsonntag:Grüne Kraftbekundungen

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Die Ergebnisse des Wahlsonntags rufen selbstbewusste Stimmen in Berlin hervor. Dabei müssen die Bundesgrünen erst schaffen, was in Baden-Württemberg schon gelungen ist: den christlich-bürgerlichen Mittelstand an sich zu binden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Keine Jubelstimmung, aber demonstratives Selbstbewusstsein an der Bundesspitze der Grünen - die Partei hat bei den Landtagswahlen am Sonntag drei Etappenziele erreicht. In Baden-Württemberg kann Ministerpräsident Winfried Kretschmann weiterregieren. In Rheinland-Pfalz können die Grünen dem vorläufigem Endergebnis zufolge ihr Resultat von 2016 um vier Prozentpunkte verbessern. Am wichtigsten ist aus Sicht der Bundesspitze aber die Botschaft: Den Grünen wachsen neue Kräfte zu, während die der Union schwinden.

"Das ist ein großer Auftrag für mehr Klimaschutz", sagte Parteichefin Annalena Baerbock am frühen Sonntagabend. In Zeiten der Verunsicherung, in denen das Vertrauen in politische Institutionen "etwas angeknackst" sei, sei es aber auch ein Auftrag, "ein neues Fundament für starken gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen, und zwar nicht nur für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, sondern im Herbst auch im Bund". Parteichef Robert Habeck machte das "Missmanagement der Bundesregierung während der Corona-Pandemie und vor allem die Korruptionsaffären der Union" verantwortlich für das schwindende Zutrauen in die Politik.

Die CDU ist schlagbar - mit dieser Botschaft zog der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner durch den Wahlabend am Sonntag. Denn selbstverständlich sollen die Ergebnisse nicht nur als "Superstart in ein super Wahljahr" verstanden werden, sondern auch als Ermutigung zur grünen Kanzlerkandidatur. Nach Ostern wollen Annalena Baerbock und Robert Habeck entscheiden, wer im Wahlkampf an die Spitze tritt. An Kraftbekundungen jedenfalls fehlte es am Wahlsonntag nicht.

Dabei ist noch keineswegs ausgemacht, ob den Bundesgrünen gelingen wird, was sie in Baden-Württemberg schon geschafft haben: Teile des werteorientierten, christlich-bürgerlichen Mittelstands zu gewinnen und vor allem: dauerhaft zu binden. Die Parteivorsitzenden in Berlin betonen zwar pausenlos, die Union sei programmatisch ausgehöhlt, von Korruption erschüttert. Die Landtagswahlen zeigen aber auch: Die Schwäche der CDU zahlt nicht zwingend bei den Grünen ein. Enttäuschte Konservative wählen auch FDP - oder bleiben zu Hause.

Die Ampel wird wahrscheinlicher

Im linken Spektrum der Grünen dürften nun die Stimmen lauter werden, im Bundestagswahlkampf nicht nur auf konservative Milieus zu schielen, sondern stärker noch als bisher um SPD-Anhängerinnen und -Anhänger zu werben. Aber auch ihr Verhältnis zu den Liberalen werden die Grünen nach dem Wahlsonntag überdenken müssen. Denn auch die Ampel wird als Koalitionsmodell wahrscheinlicher als in früheren Jahren.

Für die Bundesgrünen, die seit den gescheiterten Jamaika-Sondierungen 2017 einen großen Bogen um die FDP schlagen, gelten die Liberalen zwar als schwierigster Gesprächspartner unter den demokratischen Parteien. Dennoch werden Ampelmodelle mit der FDP als Chance betrachtet. Jede Bewegung, die den Grünen neue Machtoptionen eröffne, sei willkommen, heißt es im Bundesvorstand - und dass so ziemlich alles recht sei, was die lange Vorherrschaft der Union breche.

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