Süddeutsche Zeitung

Brasilien:Bolsonaros Partei legt Einspruch gegen Wahlergebnis ein

Lesezeit: 2 min

Der nationalkonservative Partido Liberal will einen Teil der Stimmen aus der Stichwahl für ungültig erklären lassen. Ein Gericht erklärt, dass dann auch der erste Wahlgang überprüft werden müsse.

Gut drei Wochen nach der Abwahl des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilien stellt seine Partei das Ergebnis der Stichwahlen in Frage und will einen Teil der abgegebenen Wählerstimmen für ungültig erklären lassen. Der Partido Liberal (PL; Liberale Partei) habe eine Eingabe beim obersten Wahlgericht eingereicht, sagte Parteichef Valdemar Costa Neto am Dienstag (Ortszeit). Bolsonaros Partei bezweifelt, dass alle elektronischen Wahlurnen einwandfrei funktioniert haben. Bei der Stichwahl vom 30. Oktober errang der linke ehemalige Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva mit dem knappsten Vorsprung seit der Rückkehr Brasiliens zur Demokratie im Jahr 1985 den Sieg.

Bislang hat Bolsonaro seine Niederlage nicht ausdrücklich eingeräumt. Lula wird sein Amt am 1. Januar 2023 antreten. Er hatte bei der Stichwahl 50,9 Prozent der Stimmen erhalten, Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent. Bolsonaro hatte bereits vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem geäußert und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen.

Bolsonaro macht Softwarefehler für die verlorene Wahl verantwortlich

Bolsonaro und die Liberale Partei behaupten nun, dass ältere Modelle von Brasiliens elektronischen Wahlurnen Probleme aufwiesen. Bolsonaro reichte bei der brasilianischen Wahlbehörde einen 33-seitigen formellen Einspruch ein. Er machte Softwarefehler für die verlorene Wahl verantwortlich und fordert, dass die mit der Mehrheit der elektronischen Maschinen des Landes abgegebenen Stimmen für ungültig erklärt werden. "Wir haben diesen Maschinen immer misstraut. (...) Wir wollen eine massive Überprüfung", hatte der Sohn des Präsidenten, Eduardo Bolsonaro, bereits in der vergangenen Woche gesagt.

Die Liberale Partei behauptet, dass bei 280 000 Wahlmaschinen die Identifikationsnummern in den internen Protokollen fehlten. Wenn nur die neuen Modelle als zuverlässig gelten und die dort abgegebenen Stimmen zählen, wäre der konservative Präsident mit 51,05 Prozent der Stimmen wiedergewählt, rechnet die Partei vor.

"Die Ungereimtheiten erlauben es nicht, das Wahlergebnis zu bestätigen. Das bedeutet nicht, dass es Betrug gab, sondern eher, dass es keine Gewissheit gibt, dass die Wahlurnen glaubwürdig sind", sagte Marcelo Bessa, ein Anwalt des Partido Liberal, vor Reportern in Brasília.

Politische Analysten halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass Bolsonaro damit die Präsidentschaft erringt, da die brasilianische Wahlbehörde Lula da Silva bereits offiziell als Sieger anerkannt hat. Auch viele der politischen Verbündeten des bisherigen Präsidenten haben das Wahlergebnis akzeptiert.

Die Partei hat nun 24 Stunden Bedenkzeit

Das Wahlgericht entgegnete, dass in beiden Wahlgängen die gleichen Geräte verwendet wurden. Daher werden die Vorwürfe nur dann berücksichtigt, wenn auch der erste Wahlgang überprüft wird, schrieb Richter Alexandre de Moraes. Er gab der Liberalen Partei 24 Stunden Zeit, um zu entscheiden, wie sie weiter vorgehen will. Seine Entscheidung bringt die Partei in eine schwierige Lage, da eine Anfechtung der Ergebnisse des ersten Wahlgangs wahrscheinlich die Wahl vieler ihrer Mitglieder im Kongress beeinflussen würde.

Der brasilianische Finanzmarkt reagierte indes empfindlich auf die Nachricht. Der Real fiel um bis zu 1,6 Prozent, während die Aktien um 16.37 Uhr Ortszeit in São Paulo um 1,4 Prozent fielen.

"Das größte Risiko nach den Wahlen war, dass die Ergebnisse angefochten werden würden", zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Tiago Cunha, einen Manager bei Ace Capital. "Das war verblasst, aber jetzt ist es wieder da."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5701392
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/blo/cjk
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.